Foto: Der Standard

Auf den ersten Blick haben die artifiziellen Werke des André S. Solidor die signifikanten Züge der Fotografie der klassischen Postmoderne: eine Symbiose exzentrischer, aussagekräftiger, relevanter Visualisierungen humanen und animalischen Daseins. Auf den zweiten Blick aber entpuppt sich die Künstlichkeit der kunstvollen, expressiv überfrachteten, bedeutungsschwangeren Fotos als so exzessiv, und so zitatenreich in den Anspielungen an die Kunstszene der letzten Jahrzehnte, dass dieses Œuvre sich letztendlich, je länger man darin blättert, selbst entlarvt. Fasziniert von den irrwitzigen Zitaten postmoderner Fotografen gerät das Werk zur Persiflage. Augenzwinkernd begreift man die "Konnotationen, Denotationen und relevanten Konstruktionen" zeitgenössischer Kunst als konterkarierenden Vexierspiegel auf die oft digital-modifizierten Verfremdungen der Mode- und Werbefotografie eines Newton, LaChapelle, Testino, Lagerfeld oder Mapplethorpe. Elliott Erwitt, der sich hinter der Kunstfigur, dem Pseudonym des André Solidor verbirgt, decouvriert in absonderlichen Posen, aufblasbaren Sextoys und bizarren Inszenierungen Verweise und kommentiert Intimität und "überflüssige" Nacktheit. Eine phänomenale Parodie eines selbstzufriedenen wie auch sich selbst befriedigenden Kunstbetriebes.

Jenseits geschmäcklerischer Künstlichkeit präsentiert Elliott Erwitt, der 1928 in Paris geborene Maître analoger Fotografie, seine ernsthafte Seite in seinem Städteporträt Rome, ohne aber zu vergessen, gleichsam sensibel, sentimental wie auch in Details humoristisch und un_terhaltsam zu sein. Unterschiedliche Facetten der Ewigen Stadt werden anhand symbiotischer Kompositionen antiker wie auch moderner Stadtteile illustriert. Die kontrastreiche Ästhetik des archaisch-kargen Schwarz-Weiß unterstreicht die zeitlose Faszination der italienischen Metropole, die in Erwitts dokumentarischen Bilderwelten aus fünf Jahrzehnten zwischen mediterraner Leichtigkeit, antiker Obsession und historischer Schwermut pendelt. Wundersam - und wunderbar unzeitgemäß. (Gregor Auenhammer/ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 29./30.01.2010)