1,4 Millionen Pfund teure Rückenansicht: Kirchners doppelseitiges Gemälde wird versteigert.

Foto: Christie's

250 Millionen Pfund Umsatz oder auch mehr?

Ein Foto zeigt Alberto Giacometti im Atelier: Die Hosen über und über mit Gipspatzen besudelt bearbeitet der damals 59-Jährige das 183 cm hohe Modell des Schreitenden. Auf Augenhöhe lediglich symbolisch, in der Realität wirkte der Schweizer Bildhauer im direkten Vergleich zu L'Homme qui marche geradezu kleinwüchsig. Ein Jahr später wird die erste Bronze gegossen, der entsprechend der Edition fünf weitere und vier Ausführungen für den Künstler folgten. Nummer 2/6 war infolge sowohl in einer Pariser als auch einer New Yorker Galerie stationiert, ab 1968 in einer amerikanischen Privatsammlung, bis sie etwa 1980 für einen unbekannten Betrag von der Dresdner Bank erworben wurde.

Als sich die Commerzbank das ehemals drittgrößte Bankinstitut Deutschlands im Mai 2009 einverleibte, galt dies auch für die seit Jahrzehnten angehäufte Kunstsammlung. Damit kommt jetzt erstmals eine noch zu Lebzeiten Giacomettis ausgeführte Bronze über eine Auktion auf den Markt. Zwischen 12 und 18 Millionen Pfund soll die Skulptur am Abend des 3. Februar bei Sotheby's einspielen, wovon die Commerzbank-Stiftungen sowie verschiedene Museen in Deutschland profitieren wollen. Mit dem gleichen Schätzwert hat Sotheby's Klimts Kirche in Cassone ausgestattet, das im Anschluss an ein privates Restitutionsabkommen nun versteigert wird und dessen Erlös zwischen dem bisherigen Besitzer aus Österreich sowie dem Erben nach Amalie Redlich (geborene Zuckerkandl) aufgeteilt wird.

Zusammen mit einem Stillleben von Paul Cézanne (Pichet et fruits sur une table, 10-15 Mio. Pfund) verfügt Sotheby's damit über drei Highlights, die zumindest jenseits der Zehn-Millionen-Pfund-Grenze den Besitzer wechseln könnten, und das ist deutlich mehr, als die Konkurrenz vorzuweisen hat: Mit der höchsten Taxe eröffnet dort am 2. Februar Kess van Dongens La gitane (5,5-7,5 Mio. Pfund) das Rennen um die Gunst des Publikums. Deutlich bescheidener als zuletzt hier auch die Formation "German & Austrian Art" . Mit vergleichsweiser Marktfrische wird allerdings Ernst Ludwig Kirchners doppelseitiges Gemälde punkten können, das zuletzt vor fünfzig Jahren auf den Markt kam, wie auch das Klebeetikette am Keilrahmen dokumentiert – "Stuttgarter Kunstkabinett, R.N. Ketterer". Für das untrennbare Doppel Zwei Mädchen in flacher Wanne und Elbkähne vor gelben Häusern, Dresden müssen Interessierte zumindest 1,4 Millionen Pfund bereithalten.

In Summe bestückte Christie's die Sektionen Impressionist & Modern Art (48 Lots) sowie Art of the Surreal (38 Lots) mit 86 Positionen, die im Zuge des Evening-Sales zwischen 56,5 und 80,8 Millionen Pfund einspielen sollen. Lediglich in der Anzahl der Kandidaten gibt sich Sotheby's bescheidener, deren 39-starke Startformation anderntags zumindest 69 Millionen Pfund bringen wird, aber auch die 100-Millionen-Pfund-Barriere nehmen könnte. Eine Woche später steht in der Metropole an der Themse dann die Riege der Zeitgenossen auf dem Prüfstand. Zumindest bei den November-Sales hatten sie in New York auch über deutlich bessere Verkaufsquoten als die Monate zuvor nicht die schlechteste Figur abgegeben.

Um die 32 Millionen Pfund hofft Sotheby's am Abend des 10. Februar mit 80 Positionen einzuspielen, wozu allein die Sammlung Lenz Schönberg mit 49 Exponaten der Gruppe Zero zumindest zwölf Millionen beitragen soll. Und das gilt in der Fachwelt als sehr realistisch, genießt diese über fünf Jahrzehnte zusammengetragene Sammlung doch das Prädikat "museal" . Zu den weiteren Kandidaten für das im Anschluss an den Sale publizierte Ranking der zehn Besten gehört zweifellos Lucian Freuds Self-Portrait with a Black Eye (3-4 Mio. Pfund).

Dem hält Christie's am 11. Februar einen Tross von 52 Kunstwerken entgegen, die sich mit 26 oder auch 38 Millionen Pfund zu Buche schlagen sollen. Diese Hoffnungen sollen etwa Protagonisten der 60er-Jahre erfüllen, darunter Yves Klein mit einem von nur zwei ausgeführten goldenen Schwamm-Reliefs (Relief éponge or RE47II, 3-7 Mio. Pfund). (Olga Kronsteiner, ALBUM – DER STANDARD/Printausgabe, 29./30.01.2010)