Bild nicht mehr verfügbar.

Erwin Buchinger wurde als nicht-behinderter Bewerber Behindertenanwalt. Huainigg dazu: "Das ist genauso, als würde ein Mann Frauenminister werden, mit dem Argument, dass er eine Tochter hat oder verheiratet ist."

Foto: APA/Jäger

Aufgrund von Beatrix Karls Bestellung zur Wissenschaftsministerin ist Franz-Joseph Huainigg seit Freitag wieder im Nationalrat vertreten.

Foto: Standard/cremer

ÖVP-Behindertensprecher Franz-Joseph Huainigg kehrte am Freitag ins Parlament zurück. Ein Platz wurde frei, weil Beatrix Karl als Wissenschaftsministerin angelobt wurde. Nach der Wahl 2008 hat er den Einzug knapp verpasst. Im Interview mit derStandard.at sagt Huainigg, dass er sich gefreut hat, wieder Abgeordneter zu sein: so könne er sich den Anliegen der behinderten Menschen besser widmen. Er will sich für mehr behindertengerechte Arbeitsplätze einsetzen, die Schulintegration auf die Oberstufe ausweiten und fordert, dass die Geburt eines behinderten Kindes "keinen Schadensfall darstellt".

Vor Weihnachten bekam Huainigg eine Absage, nachdem er sich für den Posten des Behindertenanwalts beworben hatte. Die Stelle wurde mit Erwin Buchinger besetzt, der selbst nicht behindert ist, aber einen behinderten Sohn hat. Huainigg dazu: "Es ist eine Diskriminierung, wenn dieser Posten mit dem einzigen nichtbehinderten Bewerber besetzt wird." Er hat ein Schlichtungsverfahren beantragt, will aber auf jeden Fall Nationalratsabgeordneter bleiben.

****

derStandard.at: Wie hat sich das angefühlt, als Sie am Freitag ins Parlament zurückgekehrt sind?

Huainigg: Ich habe mich sehr gefreut. Ich war jetzt ein Jahr ohne Mandat, zwar trotzdem ÖVP-Sprecher für behinderte Menschen, aber es ist natürlich viel schwieriger, das von außerhalb zu machen. Jetzt habe ich mehr Möglichkeiten mitzureden, zum Beispiel in den Ausschüssen.

derStandard.at: Als Sie nach der Nationalratswahl 2008 den Einzug nicht geschafft haben, war da die Enttäuschung sehr groß?

Huainigg: Ja, es war schon frustrierend. Ich hab nicht damit gerechnet, mein Mandat hat als fixes gegolten. Aber jede Wahl hat ihre eigenen Regeln. Das Ergebnis für die ÖVP war nicht so gut, deshalb ist es sich nicht ausgegangen. Ich kann mich noch erinnern, wie schwierig es war, den Laptop abzugeben und einen neuen zu kaufen.

derStandard.at: Und haben Sie damit gerechnet, dass Sie in dieser Legislaturperiode wieder zurückkehren werden? Wenn Molterer EU-Kommissar geworden wäre, wären Sie ja auch schon nachgerückt.

Huainigg: Ja. Das zeigt, dass Politik sehr unberechenbar ist. Man hat mir gesagt, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass ich nachrücken werde. Bei Molterer war es ja ziemlich fix, dass er Kommissar wird, es hat zumindest so ausgeschaut. Das hat sich dann zerschlagen. Am Montag war ich selbst aber überrascht, dass es jetzt soweit ist.

derStandard.at: Was wollen Sie jetzt im Parlament umsetzen?

Huainigg: Ich will, dass die Geburt eines Kindes keinen Schadensfall darstellt. Es hat in der Vergangenheit mehrere OGH-Urteile gegeben, wo Eltern behinderter Kinder hoher Schadenersatz zugesprochen worden ist. Es ist eine Ungerechtigkeit einerseits gegenüber den Eltern, die die Geburt eines behinderten Kindes nicht als Schadensfall sehen, sondern als Glücksfall. Sie bekommen dann kein Geld. Außerdem hat es immense Folgen für die Ärzte, die in der Pränataldiagnostik bei Behinderung zu einer Abtreibung raten, weil sie Angst haben, sonst geklagt zu werden. 

Mein zweites Vorhaben: Die Arbeitslosigkeit steigt und man muss deshalb danach trachten, behinderte Menschen nicht noch stärker zu diskriminieren. Sie leiden sehr unter der hohen Arbeitslosigkeit. Es wäre mir wichtig, dass jetzt Maßnahmen getroffen werden, damit es zu einem Wirtschaftsaufschwung kommt. Behinderte Menschen sollen profitieren, damit neue Einstellungen erleichtert werden. Oft ist der Kündigungsschutz ein großer Hemmschuh: die Unternehmen würden Behinderte gerne einstellen, wagen es aber nicht, weil sie Angst haben, dass sie den Mitarbeiter nicht mehr los werden, wenn es nicht funktioniert. Mein Anliegen wäre es, dass man den Kündigungsschutz für zwei Jahre aufhebt. 

Ich möchte mich auch dafür einsetzen, dass die Schulintegration nach der achten Schulstufe fortgesetzt wird. Wir haben in den letzten Jahren im Rahmen der Integrativen Berufsausbildung sehr positive Erfahrungen mit der teilqualifizierten Lehre gemacht. Diese Erfahrungen der Berufsschulen soll auf andere Schulen übertragen werden. 2007 hat es einen Entschließungsantrag gegeben, den alle Parteien unterstützt haben. Aber es gibt noch immer keine Umsetzung davon. 

derStandard.at: Wieso ist es so wichtig, dass auch Menschen mit Behinderung im Parlament sitzen?

Huainigg: Die Partizipation von behinderten Menschen in allen Lebensbereichen ist sehr wichtig. Geht es nach den gängigen Klischees ist der körperbehinderte Mensch Portier, der Gehörlose Schneider, der Blinde Telefonist. Es sollen den Menschen aber neue Berufswege erschlossen werden. Ein blinder Mensch soll auch Richter oder Lehrer werden können. Es gibt zwar Richter im Rollstuhl aber immer noch niemanden, der blind ist. In Deutschland gibt es sechzig blinde Richter, da müsste es in Österreich zumindest sechs geben. Es gibt eben viele Vorurteile, die noch überwunden werden müssen. Auch im Parlament ist es wichtig, dass behinderte Menschen ihre Interessen selbst vertreten.

derStandard.at: Sind Sie besonders gut vernetzt mit anderen behinderten Abgeordneten, zum Beispiel mit Helene Jarmer von den Grünen? 

Huainigg: Mit Helene Jarmer habe ich schon zusammengearbeitet bevor sie Abgeordnete wurde. Ich habe einiges mit ihr erkämpft, zum Beispiel, dass die Gebärdensprache mit der Wochenschau erstmals ins österreichische Fernsehen gekommen ist. Ich finde die Gebärdensprache sehr toll, bin froh, dass man sie anerkennt. Ich glaube, dass die Zusammenarbeit mit Jarmer auch in Zukunft im Parlament gut funktionieren wird.

derStandard.at: Kurz vor Weihnachten ist bekannt geworden, dass Erwin Buchinger Behindertenanwalt wird. Sie hatten sich auch für das Amt beworben. Wie bewerten Sie im Nachhinein die Bestellung?

Huainigg: Ich habe ein Schlichtungsverfahren beantragt, weil ich mich diskriminiert fühle. Die Bestellung war sehr undurchsichtig. Die Kommission selbst hat aus drei Leuten bestanden, zwei weisungsgebundene Beamte des Sozialministeriums und ein Behindertenvertreter des Behindertendachverbandes, der überwiegend von Mitteln des Sozialministeriums lebt. Es war also kein unabhängiger Experte dabei. Man hat auch nie gehört, warum die Entscheidung auf Buchinger gefallen ist. Man hat nur gehört, dass er billiger sein soll, weil er schon beim AMS arbeitet, dadurch würden keine zusätzlichen Kosten entstehen. Das ist erstens ein eigenartiges Kriterium und zweitens auch unrichtig, weil mit mir selbst hat es nie Gehaltsgespräche gegeben und ich bin auch im öffentlichen Dienst beschäftigt, beim Unterrichtsministerium. 

Das zweite ausschlaggebende Argument für Buchinger war anscheinend, dass er auch einen behinderten Sohn hat. Ich schätze das Engagement von Eltern behinderter Kinder, aber es gibt einen Unterschied zwischen Angehörigen und Selbstbetroffenen. Man erlebt das ja ganz anders und kann auch mehr bewirken, wenn man selbst betroffen ist. Das ist genauso, als würde ein Mann Frauenminister werden, mit dem Argument, dass er eine Tochter hat oder verheiratet ist. 

derStandard.at: Glauben Sie, dass die Ernennung Buchinger eine geschobene Partie war? 

Huainigg: Das wird man im Schlichtungsverfahren klären. Es gab auch einige behinderte Menschen, die SPÖ-nahe sind, und sich für den Posten bewerben wollten, denen auf Nachfrage abgeraten wurde, sich zu bewerben, weil die Stelle schon für jemanden Bestimmten vorgesehen war. Ich finde es bedauerlich, dass die SPÖ oft ein Problem mit behinderten Menschen hat. Sie sind im Parlament die größte Fraktion, haben aber noch nie einen behinderten Menschen als Abgeordneten gehabt. Es wäre ein Zeichen gewesen, wenn man den Behindertensprecher wenigstens mit einer behinderten Person besetzt hätte. 

Beim Behindertenanwalt geht es mir nicht darum, dass ich es nicht geworden bin. Aber es ist eine Diskriminierung, wenn dieser Posten - obwohl im Gesetz steht, dass bei gleicher Qualifikation ein behinderter Mensch vorgezogen werden muss - mit dem einzigen nichtbehinderten Bewerber besetzt wird.
Es hätte auch andere Kandidaten gegeben. Zum Beispiel den Präsidenten des Blindenverbandes, der auch Jurist ist. Oder der Behindertensprecher der ÖBB. 

derStandard.at: Wenn sich etwas ändert durch das Schlichtungsverfahren, würden Sie dann dem Parlament wieder den Rücken kehren?

Huainigg: Nein, ich bin jetzt angelobt und werde auch Abgeordneter bleiben. Das Schlichtungsverfahren werde ich trotzdem weiter forcieren, ich möchte einfach eine Offenlegung über die Kriterien, die zu dieser Wahl geführt haben. Wenn es nicht offengelegt wird, überlege ich mir nach wie vor eine Klage. 

derStandard.at: Am Freitag wurde die neue Wissenschaftsministerin angelobt. Was läuft denn derzeit falsch an den österreichischen Universitäten? 

Huainigg: Studieren ist sehr wichtig. Ich glaube auch, dass im Schulbereich viel getan werden muss, weil Kinder aus Akademikerfamilien die besten Chancen haben zu studieren und andere Gruppen nicht. Bildung ist auch eine Chance, aus der Armutsfalle zu kommen. Ich glaube nicht, dass durch die Studiengebühren vielen der Zugang zur Universität verwehrt worden ist, das ist durch Stipendien sehr wohl aufgefangen worden. Es hat schon dazu geführt, dass Studenten das Studium ernster nehmen und schneller studieren. Jetzt sind die Studiengebühren abgeschafft und werden auch nicht mehr so schnell kommen. 

derStandard.at: Wie sehen Sie die Situation für Menschen mit Behinderungen an den Universitäten? Wird auf ihre Bedürfnisse ausreichend Rücksicht genommen?

Huainigg: Ich habe in Klagenfurt studiert, das war eine eher kleine Universität und alles war auf einem Campus. Mit dem Rollstohl und Krücken war alles sehr gut erreichbar. Wenn man aber in Wien studiert, ist alles sehr verteilt und in alten Gebäuden, die teilweise noch immer nicht barrierefrei sind. Bis spätestens 2015 muss aber aufgrund des Behindertengleichstellungsgesetzes alles zugänglich sein. 

derStandard.at: Sie kommen ursprünglich aus Kärnten. Wie verfolgen Sie die derzeitige Parteipolitik in ihrem Heimatbundesland?

Huainigg: Ab und zu ist man froh, wenn man in Wien sitzt. In letzter Zeit zum Beispiel. Es kennen sich nicht einmal die Kärnter aus, welche Parteien es gibt und wer wo dazugehört. Ein sehr bedenkliches Chaos. (Teresa Eder und Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 31.1.2010)