Ich kann mich noch gut an meinen Ärger erinnern, als bei der Einführung des Führerschein-Vormerksystems 2005 auch die Nicht-Verwendung eines Kindersitzes bei unter 14-Jährigen zu einem besonders schweren Delikt erklärt wurde, das zum Verlust des Führerscheins führen kann.
Ich hatte damals Kinder im entsprechenden Alter und selbstverständlich auch geprüfte Kindersitze im Auto. Aber immer wieder gab es Situationen, in der etwa Großeltern oder Freunde eines meiner Kinder mitnehmen wollten, ohne über einen entsprechenden Sitz zu verfügen. Und gelegentlich nahmen wir auch in unserem Auto ein drittes Kind mit, für das wir dann keinen Sitz hatten.
War das wirklich ein Vergehen, das mit Fahren über die Kreuzung bei Rot oder Trunkenheit am Steuer vergleichbar ist, fragte ich mich? Wie wenig Bezug zur Realität des Elternlebens hatten die Verfasser dieses Gesetzestextes?
Mit meinen Bedenken stieß ich unter Freunden und Bekannten (vor allem denen ohne Kinder) auf wenig Verständnis. Was gibt es denn Schlimmeres, als Leben und Gesundheit seines Kindes aufs Spiel zu setzen, hörte ich oft als Antwort.
Nun wurden Anfang 2010 die Vorschriften noch weiter verschärft. Wer ohne Kindersitz erwischt wird, kriegt nicht nur schwarze Punkte (das ist der Grund für den Großteil aller Vormerkungen), sondern muss sich auch ein Seminar über Kindersicherung anhören.
Dort könnte man neben den üblichen Standpauken auch die Erkenntnisse des US-Ökonomen Steven Levitt diskutieren, die dieser in seinem neuen Buch „Super-Freakonomics“, dem aktuellen Nachfolger zu seinem Bestseller „Freakonomics“, präsentiert.
Levitt ist schon vor Jahren beim Studium der entsprechenden Daten und eigenen Crash-Versuchen zum Schluss gekommen, dass ein Kindersitz gegenüber normalen Sitzgurten bei Kindern über zwei Jahren praktisch keinen Zugewinn an Sicherheit bringt.
Bei Todesfällen und Schwerstverletzungen zeigen die Daten praktisch keinen Unterschied. Bloß bei leichten Verletzungen scheinen Kinder im Kindersitz besser geschützt als jene mit Sitzgurt. Aber dies, behauptet Levitt, könnte auch an falschen Angaben der Eltern liegen. Wer sein Kind nicht angeschnallt hat, kann nach einem leichten Unfall problemlos behaupten, es habe den normalen Sitzgurt angehabt. Einen nicht vorhandenen Kindersitz zu erfinden ist viel schwieriger.
Was Levitt ebenso wie andere Studien und der gesunde Menschenverstand aufzeigen ist einfach: Kindersitze für ältere Kinder haben vor allem einen psychologischen Wert zur Beruhigung des schlechten Gewissens und sind ein – ziemlich teures - Luxusgut für eine Gesellschaft, die gerade bei Kindern überhaupt kein Risiko eingehen will. Aber weil sie so wenig bewirken, sind sie keine moralische Verpflichtung und dürften auch keine gesetzliche sein.
Die Kindersitzpflicht ist für Eltern nämlich eine bedeutende finanzielle Belastung. Sie müssen nicht nur die teuren (oft überteuerten) Sitze kaufen, sondern brauchen schon bei zwei Kindern ein entsprechend größeres Auto, das auch mehr CO2-Ausstoß verursacht. Für all diese persönlichen und gesellschaftlichen Kosten erhalten sie und ihre Kinder viel Unbequemlichkeit statt mehr Sicherheit.
Und jetzt will Verkehrsministerin Doris Bures auch noch Eltern verbieten, ältere Kindersitze weiterzuverkaufen. Sei seien nicht sicher genug, erklärt sie selbstgerecht. Die Kindersitzhersteller und der größte Kindersitzverkäufer, nämlich der ÖAMTC, haben sich wieder einmal durchgesetzt.
Für den Kinderschutz würde es ausreichen, wenn der Staat Angurten am Rücksitz verlangt (selbst das ist nicht so wichtig wie am viel gefährlicheren Vordersitz, sonst wäre meine, als Kinder stets ungegurtete, Generation gar nicht mehr am Leben) und den Gebrauch von Kindersitzen allgemein empfiehlt.
Alles, was darüber hinaus geht, ist falsch verstandener Paternalismus, sinnlose Panikmache, Geschäftemacherei für eine einflussreiche Industrie und eine wirkungsvolle Methode, das Leben mit Kindern noch etwas schwerer machen.