Starkes Wirtschaftswachstum als oberstes Ziel auf der einen Seite - massiver Ressourcenverbrauch, Klimawandel und Umweltschäden auf der anderen Seite: Diese globale Gleichung geht schon lange nicht mehr auf. Das hat die Europäische Kommission längst erkannt und eine Diskussion über qualitatives Wachstum angestoßen.
In Wien fand in dieser Woche genau zu diesem Thema die Konferenz "Wachstum im Wandel" statt, auf der nach neuen Wegen jenseits von rein quantitativem Wachstum gesucht wurde. In der Realpolitik hingegen wird neuerlich das BIP-Wachstum als Krisen-Troubleshooter Nummer eins propagiert. Aber die Arbeitslosigkeit oder die Staatsverschuldung dauerhaft ausschließlich mithilfe hoher Wachstumsraten lösen zu wollen, wird aufgrund der Klimaproblematik und der Ressourcenverknappung scheitern. Wenn wir es allerdings schaffen, sowohl unsere Produktion durch eine "dritte industrielle Revolution" als auch unseren Konsum durch bewussteres Einkaufen nachhaltig zu verändern, können wir mit weniger Ressourcenverbrauch und weniger Wachstum sogar ein Mehr an Lebensqualität in einer intakteren Umwelt erreichen.
Grundlagen für diese Veränderung unserer Wirtschaftsweise sind die gesellschaftliche Akzeptanz und ein innovatives, ethisch verantwortliches Entrepreneurship. Das lässt sich nicht verordnen, allerdings durch gesetzliche Rahmenbedingungen und finanzielle Anreize fördern. Innovationsgeist, UnternehmerInnentum und der Spaß daran, intelligente Ideen auch umzusetzen, sollten bereits in der Schule und an den Universitäten und Fachhochschulen vermittelt werden, denn wir brauchen mehr "Bill Gates" und "Google-Gründer" in der Klima-, Energie- und Umwelttechnologie. Die Wissenschaft, als Voraussetzung für Innovationen, muss die künftigen komplexen Aufgaben interdisziplinär, grenzüberschreitend und anwendungsorientiert lösen. Start-ups in Uni-Nähe können den Grundstein für intelligente, ressourcenschonende Unternehmen legen, die langfristig überlebensfähig sind, gerade wenn umweltschädliches Wirtschaften und Handeln teurer wird.
Derzeit liegt die Selbstständigenquote in Österreich mit knapp neun Prozent unter dem EU-Schnitt, die Anzahl der Unternehmensgründungen ist seit 2005 rückläufig. Daher ist es notwendig, ein unternehmerfreundliches politisches Klima zu schaffen und mehr Risikokapital zur Finanzierung der Startphase von neuen Business-Ideen, die auch einem Corporate-Social-Responsibility-Check (CSR) standhalten, bereitzustellen. Junge, innovative Unternehmen können sich auch zur Chance für den ländlichen Raum entwickeln. Corporate Social Responsibility wird insbesondere dann im Alltag gelebt, wenn UnternehmerInnen in ihrer Region im sozialen und kulturellen Umfeld eingebettet sind.
Bis 2050 dürfen wir, geht es nach Erkenntnissen der Wissenschaft, um 80 Prozent weniger Treibhausgase in die Atmosphäre blasen. Dieses Ziel ist mit den heute üblichen Technologien nicht machbar. Der weitgehende Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter jedoch bedeutet eine riesige Chance für innovative Länder und innovative Köpfe. Und er bedeutet eine Chance, mehr Lebensqualität für alle - auch für kommende Generationen - zu erreichen. Diese Chance sollten wir nicht mit dem Beharren auf ausgedienten Strategien vertun. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30./31.1.2010)