London/Wien - Die Hoffnung auf ein Uno-Mandat, das die USA und Großbritannien als treibende Kräfte für den Irakkrieg gerne gehabt hätten, war im März 2003 dahin: Also mussten die alten Uno-Sicherheitsratsresolutionen gegen den Irak herhalten.
So lässt sich salopp zusammenfassen, was in Großbritannien 2003 juristisch als Rechtfertigung für den Irakkrieg geboten wurde. Generalstaatsanwalt Peter Goldsmith gab drei Tage vor Kriegsbeginn im Parlament in London seine Expertise ab, wonach die Gewaltanwendung basierend auf UNSR-Resolution 1441 (2002) und damit rückwirkend auf 687 (1991) und 678 (1990) gerechtfertigt sei.
Vor dem Irak-Untersuchungsausschuss in London räumte Goldsmith diese Woche allerdings ein, dass dazu ein Sinneswandel nötig war. Er war zuvor der Ansicht gewesen, dass es für einen Krieg einer neuen Uno-Resolution mit Ermächtigung bedurft hätte.
Die Uno-Sicherheitsratsresolution 1441 vom November 2002 war in einem gewissen Sinn ein großes Missverständnis - mit der Folge eines jahrelangen transatlantischen Tiefs. Als Paris der Resolution, die Saddam Hussein eine "letzte Chance" zur Abrüstung gab, zustimmte, sahen die USA darin eine stillschweigende Zusage Frankreichs, auch den nächsten Schritt - nach Ablauf der "Chance" - mitzugehen. Die französische Regierung verstand das ganz anders: Für sie war 1441 ein Schritt weg vom Krieg, und im März 2003 sahen sie weiter keinen Anlass für diesen. Es waren keine Massenvernichtungswaffen oder Waffenprogramme im Irak gefunden worden - und es gab auch keinerlei Hinweise auf solche.
Resolution 1441 alleine hätte aber natürlich auch für die verwegensten Juristen keinen Waffengang gerechtfertigt. Es war die in ihr erwähnte Verletzung der Resolution 687 vom April 1991, die das Konstrukt möglich machte: 687 war jene Resolution, die dem Irak nach dem Golfkrieg die Bedingungen für den Waffenstillstand (unter anderem die Abrüstung) diktierte. Bei Nichterfüllung von 687 würde der Waffenstillstand außer Kraft gesetzt und Resolution 678 wieder schlagend werden: Sie ermächtigte im November 1990 die Uno-Mitglieder, den Irak unter Einsatz "aller nötigen Mittel" - also auch Gewalt - aus Kuwait zu vertreiben, das Saddam im August überfallen hatte.
Goldsmith hatte Blair vor dem Krieg auch unmissverständlich darüber informiert, dass das Kriegsziel "regime chance" nicht legal sei. Es ist auch heute noch frappierend zu sehen, dass Blair darüber völlig hinweggeht - wo doch auch die Basis für seine Einschätzung, welche Gefahr vom Irak ausging, nicht stimmte.
Dennoch schob Blair am Freitag vor dem Ausschuss den Schwarzen Peter dem Juristen zu: Wenn Goldsmith den Krieg als nicht in Uno-Resolutionen gerechtfertigt bezeichnet hätte, dann hätte sich Großbritannien nicht beteiligt. Die Folgen des eigenen Sinneswandels muss Goldsmith mit sich selbst ausmachen. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 30./31.1.2010)