Mittendrin thront die italienische Diva Adriana Asti als Winnie.
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St.Pölten - Samuel Beckett beschreibt in Glückliche Tage den bedauernswerten Zustand zweier aufs nahe Ende wartender Existenzen. Winnie (Adriana Asti) und Willie (Yann de Graval) befinden sich in aussichtsloser, aber verbesserungswürdiger Lage: Sie steckt bis über die Hüfte fest (im Schuttberg ihres vergangenen Lebens); er hat sich rücklings verkrümelt und frönt dem einzigen ihm noch gegönnten Glück, dem festen Schlaf. Halt! Pornobilder hat er auch. Zumindest in Robert Wilsons Tourneeproduktion Oh les beaux jours, die nun an zwei Abenden am Landestheater Niederösterreich gastierte, streckt Willie sein Busenwunder mit rheumageplagter Hand stolz seiner Winnie entgegen.
Diese ist kein Kind von Traurigkeit. Mit großen Kulleraugen betrachtet Winnie ihre klein gewordene Welt, die in einem simplen Einkaufssack Platz hat: Zahnbürste, Zahnpasta, Sonnenschirm, Hut, Spiegel, Lippenstift, dann Antidepressiva und einen Revolver. Nun ja, jeder Frohmut knickt dann und wann ein. Und genau betrachtet, ist nicht alles so schön, wie Winnie es gewillt ist zu sehen. Auf freudvolle Feststellungen folgt stets eine kleine Korrektur: "keine Schmerzen" - "fast keine".
Robert Wilson hat ihr in seiner als zart bewegtes Gemälde gedachten Inszenierung einen Thron errichtet, unter dem sie ihr Leben verbirgt, das ihr dann und wann säuerlich aufstößt ("Immer gewesen zu sein, was ich bin" ). Dieser Hügel aus Gesteinsplatten schmiegt sich wie ein zerfurchter schwarzer Rock von ihrer Taille weit abwärts. Von dort oben (sie sinkt immer weiter ein) hat sie die allerbeste Aussicht - auf eine unendliche, aber bei Wilson farbenfrohe Leere, in die der Regisseur die schönsten Blitze und Sonnenfeuer fahren lässt. Auf dass sich die Welt ringsum endlich einmal bemerkbar mache!
Dem minimalen Spielraum, den das erstarrte Leben noch zulässt, erweist Wilson mit betörender Sinnlichkeit Reverenz: So erheben sich etwa die kleinen Schlucke aus dem Medizinfläschchen zum dominierenden Glogglogglogg-Geräusch. Willies grunzende Stimme klingt hingegen wie aus einer Tropfsteinhöhle, der Arme!
Der Star ist Adriana Asti. Sie leuchtet wie ein Engel, der dem Frohsinn in fragwürdigen Zeiten schelmisch Kraft gibt. Ein Triumph für das in puncto Gastspielen weithin beneidete Landestheater. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD/Printausgabe, 29./30.01.2010)