Das Schlimmste scheint überstanden. Aber welche Konsequenzen aus der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten zu ziehen sind, darüber gehen beim Weltwirtschaftsforum in Davos die Meinungen auseinander. Das alljährliche Treffen in den Schweizer Bergen liefert durch das geballte Aufeinandertreffen von 2500 Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft auf engstem Raum ein Stimmungsbild dessen, was heuer ganz oben auf der Agenda steht: Bankenregulierung und Griechenland.
Die Topmanager der Geldinstitute, die heuer wieder recht zahlreich nach Davos geströmt sind, waren vor allem in einem Punkt einig: Sie lehnten jede Form von Bankenbesteuerung ab und machten massiv Stimmung gegen die Pläne von US-Präsident Barack Obama, der die Größe und Geschäftsfelder von Banken beschneiden will.
Aber nicht nur Obama scheint bereit, sich offen gegen die Wall Street zu stellen. Auch immer mehr europäische Politiker erkennen, dass es nach der globalen Rettungsaktion der Banken an der Zeit ist, diese auch zur Kasse zu bitten. Denn schließlich kam das Geld von den Steuerzahlern, die mit Recht auch auf eine Beteiligung der Geldinstitute bestehen können. Zumal wieder üppige Bonuszahlungen an viele Banker ausgeschüttet werden.
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy geißelte in seiner Eröffnungsrede die "Entartung des Kapitalismus" und hielt allen einen Spiegel vor, dass man dies nicht verhindert habe. Er bekam dafür Beifall - nur nicht von Bankern. Sarkozy wies darauf hin, dass es keinen Sinn mache, angloamerikanische und kontinentaleuropäische Politiker gegeneinander auszuspielen. Alle zögen an einem Strang.
Aber nicht einmal die Europäer haben es bisher geschafft, sich darüber zu verständigen, welches Modell sie eigentlich wollen: Seit Monaten wird über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene diskutiert, passiert ist nichts. In Österreich scheint Bundeskanzler Werner Faymann eine Bankensteuer zu favorisieren, die sich auf die Bilanzsumme insgesamt bezieht. Außenminister Michael Spindelegger prescht nun mit einem Vorschlag vor, nur den spekulativen Geschäftsbereich zu besteuern. In Großbritannien will man sich auf die Besteuerung von Boni beschränken. Noch nicht ganz klar ist, wen Obama mit seinen Bankenzerschlagungsplänen treffen will. Alleingänge machen wenig Sinn, es muss eine international koordinierte Aktion geben, das ist eine der Lehren aus der Krise.
Gleiches gilt für die Währungsunion. Ob der Staatsbankrott Griechenlands noch abgewendet werden kann, ist noch nicht klar. Aber alle EU-Staaten müssen zittern. Denn Griechenland ist Sprengstoff für die Eurozone und die EU insgesamt.
Weil sich die bisherigen Schutzmechanismen wie die Aufnahmekriterien und der Stabilitätspakt als wenig wirkungsvoll erwiesen haben, müssen Konsequenzen gezogen werden. Auf ein Desaster wie das griechische war man nicht vorbereitet. Ein Hilfsfonds könnte eine Zukunftsvorsorge sein.
Am sinnvollsten wäre es, Politiker, Notenbanker und Vertreter der Finanzbranche würden sich zusammensetzen, Fehlentwicklungen analysieren und als Konsequenz daraus ein gemeinsames Regelwerk erarbeiten: Das gilt für die Währungsunion ebenso wie für die Bankenregulierung. Denn eine "Entartung des Kapitalismus" muss in Zukunft verhindert werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30./31.1.2010)