Er war der beständigste Lieferant von "News"-Covers, solange er lebte, er blieb es, als er besoffen von der Seebühne abtrat, und auch mehr als ein Jahr nach seinem Tod steht fest: Jörg Haider darf nicht sterben, solange als Alternative nichts Besseres zur Verfügung steht als HC Strache, Uwe Scheuch und KH Grasser - Teil von dessen Erbschaft und daher Vertreter der Bevölkerungsklasse Unsere peinlichsten Promis.

Mit fortschreitender Auszuzelung der Haider-Saga wird auch sichtbar, welch bewusstseinsverändernde Wirkung ein überraschender Tod haben kann. So sehr haben sich die Epigonen bemüht, sich als legitime Erben eines provinziellen Sonnengottes, ja als seine Lebensmenschen darzustellen - geholfen hat es nichts. Doch wenn "News" nachhilft, ist die Rache der Haiders unausbleiblich und die Frage naheliegend: Wie tot ist Haider wirklich?

Dass die Rache der Haiders ausgerechnet jene trifft, die dessen Geschäftspraktiken eins zu eins fortsetzen, wie sie es bei ihm gelernt haben, ist einerseits gerecht, andererseits schwer verständlich. Scheuch, Strache & BZÖ-Putsch - nun spricht Haiders Familie, und was diagnostiziert sie? ,Ekelhaft - mit dieser Politik haben wir nichts zu tun!' Das kommt als Absichtserklärung um Jahrzehnte zu spät, und kann nur damit zu tun haben, dass sich die Protagonisten des Ekelhaften von ihrem Idol nicht in ihren Absichten, umso auffälliger aber in ihrer Begabung unterscheiden.

Verständlich daher, dass Haider-Mutter Dorothea klagen muss: ,Ich war zutiefst betroffen, Jörgs Erbe wurde in den Schmutz gezogen.' Russen-Deals und Hypo-Skandal hätten nicht auffliegen dürfen, nur weil Uwe Scheuch den einfachen Satz nicht so überzeugend wie der Jörg herausbringt: Alles was ohnehin nicht stattgefunden hat, war völlig korrekt.

Kein Wunder daher: Der orange Überläufer hat bei der Familie des BZÖ-Gründers seinen Kredit verspielt, und noch schlimmer: auch Strache mit Freundin Sissy - am Wörthersee ist er nur noch bedingt willkommen. Denn ,Strache ist der Kerl mit dem Lachen aus der Zahnpasta-Werbung, oder? Ekelhaft'

Das stellte nicht die Haider-Mutter fest, sondern der Haider-Schwiegersohn, der von "News" nun als Vollstrecker der Rache der Haiders präsentiert wird. Philosophiert er über Haiders nachhaltige Bedeutung, so spricht aus ihm der treue Schwiegersohn. Wer anderer - außer eben die ekelhaften Typen - käme wohl kaum auf eine solche Idee. Seine Stimme hat dennoch Gewicht, aber nur intern und für "News". Denn seit dem Tod des Landesfürsten gilt Politologe Paolo Quercia, italienischer Ehemann von Haiders Tochter Ulrike, als ideologischer Kopf des Clans, aber, weil ihn diese Funktion nicht auslastet, auch als Mann absoluter Familien-Räson.

Als ideologischer Kopf kommt er zu der nicht mehr neuen Erkenntnis, der Haiderismus ist überall, als Mann absoluter Familien-Räson hingegen zu der verblüffenden: Man kann sagen, dass Haiders Erbe für Österreich "Demokratie" heißt. Nun kommt Herr Quercia aus Berlusconis Italien, das macht einiges verständlich. Und er erläutert auch, was er meint. Haiders BZÖ war ein Element der Reife in Österreichs System. Nun ist klar, dass Österreich politisch reif genug ist für eine weitere Rechtspartei zwischen FPÖ und ÖVP. Dass diese soeben zerbröselt wurde vom orangen Überläufer, der in der Haider-Familie seinen Kredit verspielt hat, im Verein mit dem Kerl mit dem Lachen aus der Zahnpastawerbung, tut Österreichs politischer Reife keinen Abbruch.

Doch Haiders Erbe für Österreich ist nicht nur "Demokratie", sondern tritt etwas deutlicher auch in anderen Gestalten an die Öffentlichkeit heran. Etwa in der von Schüssels bestem Finanzminister aller Zeiten, der in Wien mit der Feststellung verblüffte, er habe ein reines Gewissen, und in Kitzbühel noch viel mehr: KHG verblüffte mit einer hautengen Leder-Jeans und Samt-Sakko.

Weniger verblüffend war es da, den Mann, der demnächst Wiener Bürgermeister sein will, in einen Krieg der Flaschen verwickelt zu sehen. Eklat am Ende des Jägerballes, ortete "Österreich". Heinz-Christian Strache weckte den Zorn eines Ballbesuchers. Auslöser: Heinz-Christian Strache. Und seine offenbar zu kokette Art, mit jungen Damen zu flirten. Fazit: Erst flog ein Sessel und dann noch die Bierflasche. Zünftig. Auch Strache hat sicher ein reines Gewissen. Aber wen wundert noch die Betroffenheit der Haider-Mutter, wie Jörgs Erbe in den Schmutz gezogen wird? (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 30./31.1.2010)