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Da die Grachten nicht mehr regelmäßig zufrieren, besuchen und belaufen Niederländer seit 1989 den Weissensee.

Foto: EPA/VINCENT JANNINK

echendorf - In tief gebückter Haltung, die Hände am Rücken verschränkt, zieht der Amateur mit der Startnummer 7967 in langen, gleichmäßigen Schritten auf den langen Eisen über die Eisbahn. Mit minus 16 Grad ist es schneidend kalt am Weissensee in Kärnten, beim letzten von vier Volksläufen zur 22. Auflage der sogenannten "Alternativen holländischen 11-Städte-Tour" . Knapp 1200 Teilnehmer nehmen an diesem Morgen bis zu acht Runden auf der 25 Kilometer langen weltweit größten, täglich präparierten Natureisbahn in Angriff. Der Amateur hat sich vier Runden vorgenommen, und bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von gut 20 km/h sollte sich eine Schlusszeit um die fünf Stunden ausgehen, so lautet zumindest der Plan.

Etwas länger, knapp fünfeinhalb Stunden, sind tags darauf die Stars unter den Marathon-Eisschnellläufern unterwegs, allerdings legen sie 200 Kilometer zurück. Das Rennen der Profis ist gleichzeitig Schluss- und Höhepunkt der 14-tägigen Traditionsveranstaltung mit mehr als viertausend Teilnehmern.

Seit 1989 findet die "Alternatieve Elfstedentocht" am Weissensee statt, heuer führt seit längerer Zeit wieder die große Runde über den ganzen See, für die niederländischen Sportler ein Highlight, weil sie auf dem Weg vom Ostufer zurück ins Ziel ihren Blick auf die Lienzer Dolomiten werfen können. Erst am Vorabend hatte Eismeister Norbert Jank die Strecke freigegeben. "Durch die große Kälte der letzten Tage ist das Eis zwar schnell gewachsen, es hat dadurch aber leider auch sehr viele Sprünge, weil es ununterbrochen arbeitet, so ist Natureis" , erklärt Jank die vielen, für die Läufer sehr gefährlichen Spalten.

Immer wieder gibt es Stürze, auch der Amateur hat den Blick permanent konzentriert auf die Bahn gerichtet, um nur ja nicht mit einer Kufe hängenzubleiben und einen Bauchfleck hinzulegen.

Den Profis am nächsten Tag machen die Spalten weniger aus, sie gleiten mit bis zu 60 und durchschnittlich fast 40 Stundenkilometern über die spiegelglatte Fläche. Fünf bis sechs Läufer bilden ein Team, die Sieganwärter werden wie bei einem Radrennen im Windschatten immer wieder an die Spitze herangeführt. Zeit für Pausen gibt es bei den Profis keine. Gegessen und getrunken wird während des Laufens.

Beim Volkslauf gönnen sich die Teilnehmer die eine oder andere Rast, um sich bei einer Labestation mit Tee, heißer Rindsuppe, Kuchen und Rosinenbrötchen mit Käse zu stärken. Für die meisten geht es ums Durchkommen und um den Spaß. Der 24-jährige Jorrit Bergsma hingegen nimmt die Sache ernst, er braucht fünf Stunden, 27 Minuten und sieben Sekunden für die 200 Kilometer, holt sich den Sieg bei den Profis. Der seit dem Jahr 2000 gültige Weltrekord von fünf Stunden und elf Minuten konnte wieder nicht verbessert werden, möglicherweise wegen der vielen Spalten.

Der Amateur mit Nummer 7967 misst sich an sich selbst. Nächstes Jahr will er sich steigern. Dann über die volle Distanz, mit genügend Vorbereitung und vor allem mit viel Rückentraining. Das Kreuz tut diesmal ganz schön weh nach hundert Kilometern und einer Schlusszeit von vier Stunden, 58 Minuten, 17 Sekunden. Wegen der tief gebückten Haltung. (Martin Grabner, DER STANDARD, Printausgabe, Montag, 1. Februar 2010)