Für Unternehmensberater Roland Berger können die Bankenrettungsschirme erst 2011 abgebaut werden. Welche Lehren er aus der Krise und dem Weltwirtschaftsforum in Davos zieht, sagte Berger Alexandra Föderl-Schmid.
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STANDARD: Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hat hier in Davos von einer "Entartung des Kapitalismus" gesprochen. Stimmen Sie dem zu?
Berger: 99 Prozent aller Unternehmer und Banker machen einen tollen Job. Das sehen Sie daran, dass wir gut durch die Krise gekommen sind und auch die Unternehmen wieder ausreichend mit Krediten versorgt werden. Selbst unter schwierigen Verhältnissen ist die Stabilität des Euro gewahrt.
STANDARD: Was sind für Sie dann die Lehren aus der Krise?
Berger: Die eigentlichen Botschaften dieser Krise sind: Wir brauchen konzertiertes internationales Handeln und ein marktwirtschaftliches System, das aber klare staatliche Spielregeln hat. Und wir brauchen einen Wertekodex, den wir schon einmal im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft festgeschrieben haben. Ungebremste Gier darf nicht die moralische Richtschnur sein. Und wir müssen endlich die fälligen strukturelle Reformen angehen.
STANDARD: Welche? Für heftige Diskussionen haben die Vorschläge von US-Präsident Obama gesorgt, die Banken in ihrer Größe und ihrem Geschäftsfeld zu beschränken.
Berger: Banken zerschlagen zu wollen, ist schlichter Populismus. Die Wirtschaft braucht Kommerzbank- und Investmentbank-Leistungen aus einer Hand. Ein Exporteur muss Risiken hedgen können, und braucht dazu eine global finanzierungsfähige Bank. So zu tun, als sei Größe per se schlecht, ist Unsinn.
STANDARD: Aber auch EZB-Chef Jean-Claude Trichet hat gemeint, die Vorschläge seien richtig.
Berger: Am Ende wird man wohl im Bankgeschäft die Eigenfinanzierungsquoten erhöhen. Hoffentlich differenziert nach Geschäften: Beispielsweise, indem man das Kreditgeschäft mit zehn Prozent Eigenkapital unterlegt, das normale Investmentbanking mit 15 bis 20 Prozent, Eigenhandel und Hedgefondsfinanzierung mit 25 Prozent.
STANDARD: War das europäische Krisenmanagement erfolgreich?
Berger: Die Regierungen haben global außergewöhnlich konzertiert gehandelt. Die Deutschen haben zum Beispiel 480 Milliarden Euro zur Bankenrettung bereitgestellt, davon wurden übrigens weniger als 70 Milliarden genutzt. Je größer der Schirm, desto geringer die Angst, nass zu werden - desto weniger flüchten sich dann darunter.
STANDARD: Wann sollen die Staaten ihre Konjunkturprogramme zurückfahren?
Berger: Diese und die Sicherungsschirme können 2011 wieder abgebaut werden. Dieses Jahr findet zwar schon ein Aufschwung statt, aber es wird holprig, Unsicherheit überwiegt. Die Manager sind darauf eingestellt. 2010 scheidet sich die Spreu vom Weizen. Bis die Verhältnisse von 2007 oder 2008 zurückkehren, müssen wir fünf Jahre quasi Nullwachstum überstehen, mit allen Konsequenzen. Österreich und Deutschland unterscheiden sich nicht wesentlich. Bei der Feinabstimmung werden allerdings die nationalen Reflexe zurückkehren.
STANDARD: Ist der Euro wegen Griechenland gefährdet?
Berger: Griechenland alleine würde den Euro nicht gefährden. Aber es gibt noch Irland, Spanien, Portugal und Italien. Trotzdem glaube ich nicht, dass der Euro in Gefahr ist. Die Griechen haben etwa einen Test mit ihrer Anleihe gemacht, zu einem hohen Zinssatz - und siehe da, die Anleihe ist fünffach überzeichnet.
STANDARD: Aber welche Konsequenzen müssen die Euro-Mitglieder für die Zukunft ziehen?
Berger: Wer im Übermaß gegen Maastricht-Kriterien verstößt, gehört sanktioniert, wenn die Strafzahlungen auch nicht sofort fällig gestellt werden müssen. Man könnte diese Länder von internationalen Börsen ausschließen. Schließlich geht es um die Existenz der EU. Bricht der Euro, bricht auch die EU. Dann spielen wir global keine Rolle mehr. Die Folgen einer Rückabwicklung Europas für Frieden, Freiheit, Demokratie und Wohlstand in jedem unserer Länder muss man sich einmal vor Augen halten.
STANDARD: Die Bayerische Landesbank hat mit der Hypo Alpe Adria ein Desaster erlebt. Warum hat man vorher nicht genau geschaut?
Berger: Tatsächlich hätte man vorher wissen können, dass das Kaufobjekt nicht wirklich solide ist. Aber die Grundsatzstrategie, zu sagen, ich kaufe mich ins Mittel- und Osteuropageschäft ein, war ja keine falsche Entscheidung. Wäre die Bank solide und sauber geführt worden und wären nicht schon vorher Unregelmäßigkeiten von der Nationalbank dokumentiert worden, dann wäre auch der Preis in Ordnung gewesen. Letztlich aber bekommt es dem Geschäft eben selten, wenn sich Politiker einmischen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.2.2010)