Opium fürs Volk: "Wenn die Musi spielt"

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"Aufzeichnung der Schlagersendung "Wenn die Musi spielt" vom Samstag: Eine jugendliche Schlagersängerin und ihr Manager, der auch ihr Freund ist, debattieren hinter der Bühne in Bad Kleinkirchheim in Kärnten."

Schlagersternchen: Ich brauch ein rohes Ei. Bitte. Meine Stimme! Ich kann das nicht. Rausgehen auf die eiskalte Open-Air-Bühne. Und was soll ich da wieder singen? Dass ich mit irgendwem eine Nacht verbringen will, weil ich so einsam bin. Idiotisch. Ich hasse diese verschämten, kryptosexuellen Schunkeleien. Das ist unter meiner Würde. Und was soll die lächerliche Garderobe? Aufgestickte Gämsen? Bitte!

Bitte, lass mich ein Schubert-Lied vortragen. Ich hab mich verbessert. Intonation und Phrasierung sind nahezu perfekt. Die Leute schätzen einen anständigen Sopran. Ich werde in einer Reihe mit Legenden wie Elisabeth Schwarzkopf und Christa Ludwig stehen. Francine Jordi wird mit ihrer dünnen Stimme vor Neid erblassen. Schlager-Pfarrer Franz Brei wird mich heiligsprechen. Die Nichtskönner von Oberkrainern werden mich nicht mehr Zuckermaus nennen. Und erst Kollege Spitzbua Markus! Der singt über sein Pipi-Hendi. Pah! Keine Tiefe, keine Persönlichkeit, aalglatt. Kunst ist eben nicht jedem zugänglich. Ich weiß aber, mein Publikum würde mich verstehen. Es würde Schubert verstehen.

Ich könnte auch politisch etwas bewegen. Schönheit macht die Menschen offener. Bad Kleinkirchheim, da könnte alles beginnen. Eine sinnlichere Welt. Kärnten könnte den Anschluss, zur Abwechslung an einen kosmopolitischen Kulturmainstream, schaffen.

Manager: Nein, "Berühr mich mehrmals heut Nacht" ist dein Lied. Und damit basta. (Alois Pumhösel/DER STANDARD; Printausgabe, 1.2.2010)