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Wer beim Einkauf jegliche Kontrolle über sich verliert, sollte Hilfe suchen

Foto: APA/Carsten Rehder

Hannover - 800.000 Menschen leiden in Deutschland unter Kaufsucht, über vier Millionen sind Kaufsucht-gefährdet. Zu diesem Schluss kommt eine Erhebung der Fachhochschule Ludwigshafen, die von der Techniker-Krankenkasse in Auftrag gegeben wurde. "Gerade in der momentanen Phase des Winterschlussverkaufs steigt die Gefahr, dass das Kaufverhalten krankhaft wird. Es war uns daher wichtig, diese noch wenig bekannte psychische Störung mehr in den Mittelpunkt zu stellen", erklärt Ulrike Fieback, Sprecherin der TK Niedersachsen. Auch in Österreich ist Kaufsucht ein Problem: Laut einer Studie der Arbeiterkammer (AK) und des Karmasin-Gallup Instituts ist der Anteil der Suchtgefährdeten zwischen 14 und 24 Jahren in den letzten Jahren gestiegen. Insgesamt ist fast jeder dritte Mensch in Österreich zumindest kaufsuchtgefährdet.

Zwang mit Entzugserscheinungen

Kaufsucht bezeichnet den Zwang, nicht benötigte Artikel zu kaufen. Wird der Betroffene dabei gehindert, entwickelt er oft Entzugserscheinungen wie Herzrasen, Schweißausbrüche oder innere Unruhe und Nervosität. Frauen sind laut der TK-Erhebung stärker betroffen als Männer, zudem ist die Ausprägung des Leidens im Winter stärker als im Sommer. Männer befriedigen ihre Sucht vor allem mit den neuesten Hightech-Geräten, Autozubehör oder gute Weinen, bei Frauen stehen Kleidung, Schuhe und Kosmetikartikel an erster Stelle. Gekauft wird ohne Rücksicht auf Preis, wobei Süchtige die gekaufte Ware aus Scham häufig verstecken.

Begleiterkrankungen

Laut Studien sind Kaufsüchtige sind nicht nur stark verschuldet, sondern leiden auch sehr häufig unter Depressionen, Angst- und Persönlichkeitsstörungen. 80 Prozent der Kaufsüchtigen haben schwere Ängste, 63 Prozent leiden an Depressionen, 23 Prozent an Essstörungen.

Frühzeitig Hilfe suchen

Die gekaufte Ware soll Süchtigen oft Anerkennung, Liebe oder sogar den Partner ersetzen. Allerdings treibt der Zwang wegen der hohen finanziellen Belastung oft sogar deren Familie in den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ruin, da ein Werdegang mit Überschuldung, Insolvenz oder Abrutschen in die Kriminalität in dieser Gruppe die Regel ist. Die Folge dieses Drucks ist oft der psychische Zusammenbruch. "Selbsthilfegruppen berichten, dass die Hilfesuchenden mehr und auch immer jünger werden. Dazu dürfte nicht zuletzt die Verfeinerung der Formen beitragen, mit denen Geschäfte ihre Kunden zum Kauf verlocken", meint die TK-Sprecherin.

Fieback hält es für wichtig, dass man sich selbst den Spiegel vorhalte und Anzeichen der Sucht früh erkenne. Bestehe die Gefahr, so könne es hilfreich sein, Kreditkarten zurückzugeben, Outlet-Center zu meiden oder den gesamten Garderoben- und Wohnungsbestand zu notieren. Letzteres könne beim Warten in der Kassenschlange dabei helfen, überflüssige Artikel rechtzeitig zurück ins Regal zu legen. Betroffene und Angehörige sollten jedoch möglichst frühzeitig bei Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen oder bei einem Facharzt Hilfe suchen. (pte/red)