Bild nicht mehr verfügbar.

Beim Karneval in Mainz im Vorjahr wurde der Handel mit personenbezogenen Daten humorvoll kommentiert.

Foto: AP/Daniel Roland

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat sich entschieden: Sie will jene CD erwerben, auf der sich die Namen von 1500 deutschen Steuersündern befinden. Die Schweizer Regierung ist alarmiert.

***

Erste Anzeichen, dass die deutsche Regierung mit der Schweiz genauso verfahren wird wie 2008 mit Liechtenstein, gab es schon am Montagvormittag. "Wir wollen auf der Basis des Liechtensteiner Falls hier zügig entscheiden" , erklärte ein Sprecher des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU). Bereits am Nachmittag erfolgte das Okay der Chefin mit deutlichen Worten. "Ich denke, es sollte alles getan werden, um an die Datei heranzukommen" , sagte Kanzlerin Angela Merkel über das offensichtlich gestohlene Material.

Sollte Berlin Ernst machen, dann müssen in Deutschland wohl 1500 Steuerflüchtlinge zittern. Sie alle, so behauptet der Informant der Regierung, hätten Schwarzgeld in der Schweiz angelegt. Diesmal wäre es für den deutschen Finanzminister sogar billiger. Für die Datensätze aus der fürstlichen Bank in Liechtenstein hatte der Bundesnachrichtendienst fünf Millionen Euro bezahlt. Die Daten führten zu Ermittlungen gegen rund 700 Steuersünder, unter ihnen befand sich auch der damalige Chef der Deutschen Post, Klaus Zumwinkel.

Bund und Länder teilen Geld

Jetzt sollen 2,5 Millionen Euro fließen, diese wird aber nicht der Bund allein zahlen. Man teilt sich den Betrag mit jenen deutschen Bundesländern, in denen die mutmaßlichen Sünder eigentlich ihre Steuern zahlen hätten müssen. Nach Auskunft des Informanten der Regierung könnte der Staat dabei 100 Millionen Euro einnehmen.

Die Financial Times Deutschland (FTD) hatte berichtet, bei den Daten handle es sich um jene, die der 37-jährige Informatikspezialist der britischen Großbank HSBC, Hervé Falciani, bereits im vergangenen August den französischen Behörden angeboten hatte. Dieser jedoch bestreitet das.

Greift die Regierung zu, dann ist ihr der Applaus der Opposition sicher. "Wenn die Bundesregierung auf diese Daten verzichtet, setzt sie sich einmal mehr dem Verdacht aus, ihre Politik an den Interessen einer Klientel von Wohlhabenden auszurichten" , sagt SPD-Chef Sigmar Gabriel. Vor dem Erwerb der CD hingegen warnt der Bundesbeauftragte Peter Schaar: "Grundrechte sind wichtiger als ein Steuersegen. Es kann nicht Datenschutz nach Kassenlage betrieben werden."

Keine Amtshilfe aus Bern

Alarmiert ist man auch in der Schweiz. Finanzminister Hans-Rudolf Merz hat bereits mit seinem deutschen Amtskollegen Schäuble telefoniert. "Sehr konstruktiv" , sei das Gespräch verlaufen, erklärte daraufhin Schäubles Sprecher. Die Schweizer dürften dies jedoch anders bewerten. Sie haben Schäuble, für den Fall, dass er die CD kauft, jede Amtshilfe verweigert. Der Grund: In der Schweiz ist der Kauf gestohlener Kontodaten verboten, die Verwendung solcher Daten verletzte die Privatsphäre der Kunden. Bern ist aber bereit, die Verhandlungen über ein neues Doppelbesteuerungsabkommen zu vertiefen. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 02.02.2010)