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Die französische Behörde für Unfalluntersuchung (BEA) machte in ihrem Abschlussbericht eine verhängnisvolle Kettenreaktion für den Absturz einer Concorde am 25. Juli 2000 bei Paris verantwortlich. Auslöser war demnach ein Metallteil auf der Startbahn, das wegen Konstruktionsmängeln des Überschallflugzeugs verheerende Konsequenzen hatte.

Foto: AP Photo/Toshihiko Sato

Knapp zehn Jahre nach Absturz einer Concorde bei Paris hat am Dienstag der Prozess gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen der Katastrophe begonnen. Ein französisches Gericht soll in den kommenden Monaten klären, ob sich zwei Techniker der US-Fluggesellschaft Continental Airlines der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht haben. Angeklagt sind auch drei ehemalige Mitarbeiter der französischen Luftfahrtbehörde DGAC und des Concorde-Herstellers Aérospatiale. Ihnen wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, nicht vor möglichen Risiken des Flugzeugs gewarnt zu haben. Der Prozess um den Concorde-Absturz bei Paris droht vom Start weg im Expertenstreit zu versinken. Zwei mit insgesamt 534 Beweisstücken belegte Versionen des Unfallhergangs stehen sich unversöhnlich gegenüber.

Bei dem Absturz des Überschalljets in der Nähe des Pariser Flughafens Charles de Gaulle waren am 25. Juli 2000 insgesamt 113 Menschen ums Leben gekommen. Die meisten waren Deutsche, die von New York aus zu einer Kreuzfahrt starten wollten. Die Katastrophe läutete zugleich das Ende der Concorde ein. Die französischen und britischen "Donnervögel", die in nur dreieinhalb Stunden von Europa nach New York flogen, wurden 2003 aus dem Betrieb genommen.

Continental stellt Bericht in Frage 

Zum Prozessauftakt in Pontoise stellte die Verteidigung die offizielle Erklärung des Absturzes infrage. Von einem Continental-Flugzeug stammte ein Metallteil auf der Startbahn, das den Ermittlungen zufolge eine verhängnisvolle Kettenreaktion auslöste: Beim Überrollen der Titan-Lamelle platzte ein Reifen der Concorde, der einen Tank aufriss. Das ausströmende Kerosin entzündete sich.

Continental-Anwalt Olivier Metzner will diese Version des Unfallhergangs vor Gericht zu Fall bringen und 20 Zeugen hören, nach deren Aussage die Concorde bereits brannte, bevor sie über die Lamelle rollte. Die Maschine sei an jenem Tag nicht flugtauglich gewesen, weil sie überladen gewesen sei und ein Teil zur Stabilisierung der Räder gefehlt habe. Er werde die Einstellung des Verfahrens beantragen, weil die Airline nur als Sündenbock herhalten solle, erklärte Metzner. Entlastende Elemente seien nicht berücksichtigt worden. Continental und zwei seiner Angestellten sind wegen der verlorenen Lamelle angeklagt.

Weil es bereits vor dem Absturz mehrfach Probleme mit geplatzten Reifen bei der Concorde gab, sitzen der langjährige Chef des Concorde-Programms und ein früherer Concorde-Chefingenieur bei Aerospatiale auf der Anklagebank. Sie sollen bei der Untersuchung dieser Vorfälle geschlampt haben. Der Verantwortliche bei der Flugaufsichtsbehörde DGAC soll akzeptiert haben, dass keine weitergehenden Konsequenzen gezogen wurden.

Wegen des großen Andrangs in Pontoise sollte der Prozess per Video in einen weiteren Saal übertragen werden und die Verhandlung in Englisch und Deutsch simultan übersetzt werden. Das Interesse der Angehörigen der deutschen Opfer an der strafrechtlichen Aufarbeitung ist nach Darstellung von Anwälten aber eher gering.

Strafverfahren für vier Monate angesetzt

Der Mönchengladbacher Jurist Christof Wellens, der auch Vorsitzender des von Hinterbliebenen gegründeten Vereins Crash ist, sagte, die zivilrechtlichen Forderungen - also die Entschädigungen - seien bereits 2001 zufriedenstellend geregelt worden. Der Deutsche ließ ebenfalls Zweifel an dem Bericht der französischen Behörde für Unfalluntersuchung (BEA) anklingen. Er verwies auf Berichte, wonach ein Reifen der Maschine nicht richtig in der Spur gewesen sei und dadurch überbelastet gewesen sein könnte.

In dem auf vier Monate angesetzten Strafverfahren werde es vor allem um technische Details gehen, sagte ein Anwalt der französischen Opfervereinigung FENVAC, Sébastien Busy. Die Würde der Opfer und ihrer Angehörigen werde dabei "bedauerlicherweise" außer Acht gelassen. Die Vereinigung kritisierte, dass mit der Entschädigung der deutschen Hinterbliebenen im Jahr nach dem Unfall ihr Schweigen "erkauft" worden sei. Die Angehörigen verpflichteten sich seinerzeit, keine Angaben zur Höhe des Schmerzensgeldes zu machen und auf weitere Forderungen zu verzichten. Angeblich wurden an die rund 650 Berechtigten etwa 85 bis 106 Millionen Euro ausgezahlt.

Der Prozess ist bis zum 28. Mai angesetzt. Den Angeklagten drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis, doch rechnen Prozessbeobachter höchstens mit bedingten Haftstrafen. (APA)