Es gibt in Österreich zwei politische Realitäten - auch wenn das aus dem zentralen Wiener Blickwinkel nicht immer so wahrgenommen wird. Man muss aber sehr genau hineinschauen, auch in die weite Welt hinter dem Semmering, wenn man das schwierige Verhältnis von SPÖ und ÖVP zur Problempartei FPÖ zur Diskussion stellen will.

Für die ÖVP stellt sich - ganz allgemein - das Problem mit den Rechten nicht wirklich. Die Volkspartei hat hier keine prinzipielle Haltung. Für sie ist die FPÖ ein legitimer Regierungspartner wie jeder andere auch.

Viel schwerer tut sich die SPÖ, die zwischen Regierungspragmatismus und ideologischer Standfestigkeit changiert. Bis auf einige wenige Ausreißer wie den ehemaligen Innenminister Karl Schlögl gilt in der SPÖ aber heute die Doktrin: Mit der FPÖ (seit Jörg Haider) soll kein Staat gemacht werden. Erst recht nicht mit den zügellosen rechten Nachkömmlingen um Heinz-Christian Strache. Das ist - zumindest offiziell - die Grundhaltung der SPÖ. Auf Bundesniveau, wohlgemerkt. Auf Länderebene, in der zweiten politischen Realität Österreichs, gelten andere Gesetze. Hier kann die FPÖ nicht so einfach aus dem demokratiepolitischen Kreislauf ausgeschlossen werden. Sie sitzt dort kraft der jeweiligen Landes- oder Stadt-Proporzverfassungen auch in den regionalen Regierungen. Ab einer gewissen Mandatszahl besitzt sie das Recht auf einen Regierungssitz. Oder auf mehrere und sogar den Landeshauptmannsessel, wie im Ausnahmezustand Kärnten. Hier haben sich aber SPÖ und ÖVP in existenzbedrohende Situationen manövriert, sodass die Frage einer Zusammenarbeit mit den Blauen eine völlig andere Qualität besitzt als im übrigen Österreich.

In der Steiermark etwa kann man davon ausgehen, dass die FPÖ, nachdem sie das letzte Mal aus dem Landtag geflogen ist, wieder dorthin zurückkehrt und womöglich so viele Stimmen bekommt, dass ihr auch hier ein Regierungssitz zugeteilt wird. Und sie kann womöglich Zünglein an der Waage spielen, wenn es darum geht, den Landeshauptmann zu küren.

SPÖ-Chef Franz Voves ist jetzt in der Zwickmühle, die bundesideologische Richtschnur anzulegen und es abzulehnen, sich etwa von der FPÖ wählen zu lassen - mit dem Effekt, dass die ÖVP wieder das Ruder übernimmt -, oder er kann sich mit den Blauen einlassen. Was Voves im Zweifelsfall wohl machen wird, das Hemd ist ihm näher als der Rock.

Wie also in den Ländern umgehen mit einer fremdenfeindlichen autoritären Partei, ohne selbst nach rechts zu rutschen? In Salzburg hatte man 1998 reagiert und das Proporzsystem abgeschafft, um die FPÖ aus der Regierung bringen zu können. Nach altem Gesetz säßen die Blauen auch heute wieder drin. In Vorarlberg wiederum hat VP-Landeshauptmann Herbert Sausgruber die FPÖ als Alleinregierer aus der Regierung geschmissen. So geht's auch.

Die demokratisch sauberste Lösung für die Bundesländer wäre ein Systembruch nach Salzburger Vorbild: Das völlig antiquierte Proporzsystem, das alle Parteien ab einer gewissen Stärke in die Regierung holt, gehört umgehend abgeschafft. Damit auch in den Ländern - wie im Bund - freie Koalitionen gebildet und auf diese Weise extrem rechte Parteien von den regionalen Regierungen ferngehalten werden können. Das wäre demokratiepolitisch ein in den Bundesländern längst fälliger Reinigungsakt. (Walter Müller/DER STANDARD-Printausgabe, 2.1.2010)