Sie sind nicht zurück in die Berge gegangen, wie das kurdische Politiker nach dem Parteiverbot der DTP im Dezember angekündigt hatten, sondern sie sitzen weiter im Parlament in Ankara. Die Kurdenvertreter in der Türkei geben damit ein eindeutiges Signal:Sie wollen am Öffnungsprozess weiter teilnehmen, und sie geben sich trotz des Parteiverbots pragmatisch. Das ist mehr als erfreulich.

Selahattin Demirtas, der am Montag zum Chef der neugegründeten Partei für Frieden und Demokratie (BDP), der Nachfolgeorganisation der DTP, gewählt wurde, provozierte die nationalistischen Scharfmacher zwar in seiner Antrittsrede mit dem Satz:"Herr Öcalan ist derjenige, der am meisten über das Kurdenproblem nachgedacht hat." Doch der Menschenrechtsanwalt ist in seinen Forderungen grundvernünftig: Er will eine neue Verfassung, um antidemokratische Paragrafen, die dem Militär zu viel Macht einräumen, abzuschaffen. Er will sich nicht nur für die Kurden, sondern für alle Minderheiten in der Türkei einsetzen. Und er streckt die Hand in Richtung AKP-Regierung aus und bringt diese so unter Zugzwang.

Die AKP reagiert. Ein "Menschenrechtspaket" sieht die Bildung eines regierungsunabhängigen Menschenrechtsrates vor und eine Beschwerdeinstanz für Übergriffe der Sicherheitskräfte sowie einen Gleichstellungsrat. Das alles gibt Hoffnung, dass sich, trotz des Rückschlags des Parteiverbots, die Allianz der Demokraten aus der AKP und der BDP bei den Türken und Kurden durchsetzen wird.
(Adelheid Wölfl, DER STANDARD, Printausgabe, 3.2.2010)