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Anwar, Sohn eines indischstämmigen Staatssekretärs und einer Chinesin, ist heute wieder ein mächtiger Mann.

Foto: REUTERS/Bazuki Muhammad

Über den ersten Prozess gegen Anwar Ibrahim sagte der damalige US-Vizepräsident Al Gore, er sei eine "Verhöhnung internationaler Rechtsstandards". Anwar war damals, 1998, tief gefallen: Vom Finanzminister, Vizeregierungschef Malaysias und gefeierten "Mann des Jahres" , der Asiens Finanzkrise trotzte, zum Untersuchungshäftling, der im Rollstuhl fuhr. Sechs Jahre blieb er in Haft.

Auch bei der Eröffnung seines neuen Verfahrens, mehr als zehn Jahre später, saßen zahlreiche westliche Diplomaten auf der Zuschauerbank im Gerichtssaal. Für den mittlerweile 62-jährigen Anwar geht es um den Sieg über die Regierung und ihren derzeitigen Premier Najib Razak. "Sie betrachten mich als große Bedrohung" , sagt er über die Regierenden. "Ich bin keine Bedrohung für Najib, ich bin nur eine Alternative."

Wieder einmal muss sich Anwar wegen des Vorwurfs der Homosexualität verantworten. Sein früherer Sekretär Saiful Bukhari Azlan hatte ihn angezeigt. Es gibt Berichte, denen zufolge Azlan zuvor von der Polizei verhaftet und dann unter Druck gesetzt worden war. Rufmord durch angebliche Sexaffären ist im konservativen, mehrheitlich muslimischen Malaysia jedenfalls ein probates Mittel. Anwars Gefolgsleute sprechen von den "trojanischen Pferden" , den Assistenten, Chauffeuren oder verbitterten Ex-Freunden, die Nacktfotos in Umlauf bringen oder belastende Aussagen machen und damit der Regierung helfen.

Anwar, Sohn eines indischstämmigen Staatssekretärs und einer Chinesin, ist heute wieder ein mächtiger Mann, der Kandidat, der den ersten politischen Machtwechsel in Malaysia seit der Unabhängigkeit 1957 herbeiführen kann. Bei den Wahlen 2008 brach sein Oppositionsbündnis erstmals die Zweidrittelmehrheit der Regierungskoalition und gewann dazu noch fünf Bundesstaaten. Mehrmals kündigte Anwar eine Regierungsübernahme an, doch die Mehrheit im Parlament durch Überläufer von der Regierung materialisierte sich nicht.

Das könnte sich ändern, wenn der jetzige Prozess mangels Beweisen zusammenbricht. Es wäre Anwars Revanche gegen Mohamad Mahathir, Malaysias autoritären Langzeit-Premier. 1982 trat Anwar in Partei und Regierung ein und stieg auf, bis er Mahathir zu gefährlich wurde. Anwar, der heute als politisch Liberaler gilt, führt seine Geschäfte mit Familiensinn: Seine Frau Wan Azizah und Nurul Izzah, eine seiner Töchter, sitzen auch im Parlament. (Markus Bernath, DER STANDARD, Printausgabe, 3.2.2010)