Wenn Sterne explodieren, entsteht Staub - und damit ist vielleicht der erste Schritt zum Leben getan. Denn auf den durchs All wirbelnden Teilchen bleiben Moleküle hängen; treffen diese irgendwann auf Licht, werden dadurch chemische Reaktionen angeregt, und es könnten mitunter wichtige Moleküle des Lebens entstehen.
"Ruß und andere Partikel funktionieren wie ein Staubfänger und fangen Moleküle ein", sagt Paul Scheier, Professor am Institut für Ionenphysik und angewandte Physik der Universität Innsbruck. Er organisierte einen vor kurzem ausgerichteten Kongress zu Teilchen-, Cluster- und Oberflächenphysik in Obergurgl in Tirol, bei dem auch über diese Fragen der Astrochemie diskutiert wurde.
Im Labor stellt Scheier die Bedingungen des Weltalls nach und versucht Moleküle des Lebens herzustellen, zum Beispiel die Aminosäure Glycin oder eine DNA-Base. Als Ausgangsstoffe dafür dienen Essigsäure und Ammoniak, die auch im All vorkommen.
Sie werden mit Fotonen beschossen, was die chemische Reaktion anregt. Scheier konnte mit seinen Simulationen etwa zeigen, dass in der Atmosphäre des Saturnmondes Titan Aminosäuren entstehen könnten. Und obwohl Titan mit einer Oberflächentemperatur von durchschnittlich minus 179 Grad Celsius eher unwirtlich ist, ist er laut Schleier einer der erdähnlichsten Himmelskörper unseres Sonnensystems. Die Atmosphäre besteht großteils aus Stickstoff, doch eine Sonde fand darin auch Spuren organischer Moleküle wie etwa Methan.
Diese Experimente Scheiers betreffen auch die sogenannte Panspermie-Hypothese. Nach dieser Idee stammt das Leben auf der Erde aus dem All. Einfache Moleküle, die als Grundlage für die chemischen Bausteine von Organismen dienen, könnten auf Kometen angereist sein und die Erde gewissermaßen mit den Stoffen des Lebens geimpft haben.
Dass Aminosäuren auch auf der frühen Erde entstehen konnten, haben Anfang der Fünfzigerjahre bereits die beiden US-amerikanischen Chemiker Stanley Miller und Harold Clayton Urey in einem Experiment bewiesen, für das sie in einem Glaskolben die Uratmosphäre der Erde nachgestellt haben: Sie erzeugten ein Gemisch aus Wasser, Methan, Ammoniak, Wasserstoff und Kohlenmonoxid und setzen es elektrischen Blitzen aus.
Nach einer gewissen Zeit hatten sich Aminosäuren gebildet. Scheiers Experiment funktioniert ähnlich, nur dass eben danach gesucht wird, ob Aminosäuren auch mitten im All entstehen können.
Genaueres zur chemischen Evolution der Urmoleküle des Lebens erhoffen sich die Astrochemiker von zwei neuen Teleskopen: Das in Bau befindliche Alma-Teleskop (Atacama Large Millimeter Array) der Europäischen Südsternwarte in den Anden Chiles und das im Mai 2009 in All geschickte Weltraumteleskop Herschel der Europäischen Weltraumagentur.
Die Teleskope sollen elektromagnetische Spektren im Universum untersuchen, aus denen man Rückschlüsse auf chemische Verbindungen ziehen kann. Gesucht wird unter anderem nach Aminosäuren, den Bausteinen des Lebens. Denn obwohl man bisher im All viele organische Moleküle entdeckt hat, aus denen Aminosäuren entstehen können, hat man diese selbst noch nicht gefunden. Die Ausgangssubstanzen dafür - zum Beispiel Essigsäure, Ameisensäure oder Ammoniak - wären laut Scheier im All in Hülle und Fülle vorhanden.
Ein weiteres bei der Konferenz diskutiertes Forschungsgebiet beschäftigt sich mit Clustern. So bezeichnen Physiker Zusammenschlüsse einzelner Atome. Mithilfe von Goldclustern könnten etwa mögliche Schäden durch die Strahlentherapie bei der Krebsbehandlung verringert werden.
Gold gegen Tumorzellen
Die dabei eingesetzte ionisierende Strahlung zerstört nämlich nicht nur Tumorzellen, sondern kann auch sogenannte Sekundärtumore hervorrufen. Durch Goldteilchen im Körper könnten die Tumorzellen gezielter bekämpft werden, des Weiteren ließe sich dadurch die Dosis der Strahlung reduzieren. Auf dem Symposium tauschte man sich über die physikalischen Eigenschaften solcher Goldteilchen aus.
Cluster entwickeln zum Beispiel spezifische optische Eigenschaften des Materials, machen es härter, können als Filter fungieren, können Licht absorbieren oder fluoreszieren. Dies alles hängt von der Anzahl der Atome im Cluster ab. Cluster enthalten zwischen drei und bis zu einer Million Atome.
Bereits ein Atom mehr kann die physikalischen Eigenschaf-ten vollkommen verändern. Teilchenphysiker wollen aber nicht nur verstehen, wie dies funktioniert, sondern die Cluster auch fit für praktische Anwendungen machen. "Die Schwierigkeit ist, vom Labor in die Großtechnik zu kommen. Es ist nicht sinn-voll", sagt Scheier, "wenn sich ein Teilchen nur im Ultravakuum hält." (Mark Hammer/DER STANDARD, Printausgabe, 03.02.2010)