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Oberwart, das auf Burgenland-Romani Erba heißt, vor 15 Jahren: Die Trauer um die vier ermordeten Roma ging tief. Denn sie nährte sich vom Schock über das Verbrechen.

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Nach dem Vierfachmord in der Nähe der Oberwarter Romasiedlung - der erste rassistisch motivierte Mord der Zweiten Republik - begann Stefan Horvath zu schreiben - über das Biotop, in welchem Franz Fuchs solche Vorsätze fassen konnte. Stefan Horvath ist Dichter und Vater eines Opfers

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Oberwart (Erba) - Am Donnerstag, ist Stefan Horvath in Radstadt und tut dort, "was ich eigentlich immer in meiner Freizeit tue" . Er geht in Schulen und erzählt. Erzählt von sich und den Seinen. Erzählt davon, wie es war und wie es ist. Und davon, wie einer so lebt und wie einer so stirbt - als "Zigeuner" .

Und immer wieder erzählt er von dem einen Tag. Heute vor 15 Jahren zerfetzte eine perfide Sprengfalle, die Franz Fuchs, der Briefbomber, in der Nähe der Oberwarter Romasiedlung deponiert hatte, den 40-jährigen Josef Simon, den 27-jährigen Peter Sarközi, den 22-jährigen Karl Horvath und den 18-jährigen Erwin Horvath.

Peter Sarközi war der Sohn des Stefan Horvath, die drei anderen Nachbarn, Freunde. Der Peter hatte einen Hund, einen Dackel, der hieß Murli. Mit dem ging Stefan Horvath zum Tatort und, so schrieb er es einmal, "zum ersten Mal habe ich einen Hund gesehen, der neben einem Toten saß und weinte" .

Er selbst, der Stefan Horvath, konnte das nicht. "Ich fuhr" , erzählte er einmal dem Standard, "mit einem Freund in ein Kaffeehaus nach Bad Tatzmansdorf, hab ihm nichts gesagt. Erst dann bin ich wieder zum Tatort zurück."

Polizei ermittelte mit beinahe ungewohntem Eifer

Da aber war dort und in der Nähe schon, im Vollsinn der Redewendung, der Teufel los. Die Polizei ermittelte mit beinahe ungewohntem Eifer. Sie durchsuchte - die Häuser der Roma-Siedlung, also den Wohnort der Opfer. Und sie dokumentierte damit etwas, das weit in die Politik hinein auf offene Ohren stieß.

Jörg Haider legte nach

Noch ein knappes halbes Jahr nach dem Attentat, im Juli 1995, erklärte Jörg Haider: "Wer sagt, dass es da nicht um einen Konflikt bei einem Waffengeschäft, einem Autoschieber-Deal oder um Drogen gegangen ist?" Und legte wenig später im Standard nach: "Warum schreiben Sie dann nicht, wie die Hintergründe der Familien der Opfer sind? Wie das mit dem Rauschgifthandel ist oder mit den Vorstrafen von Familienmitgliedern?"

Strafregisterauszüge waren vollkommen leer

Unter anderem deshalb sah Stefan Horvath sich gezwungen, in seinen Kurzporträts der Opfer quasi deren Strafregisterauszug anzuhängen, der, mit einer einzigen, jugendsündenartigen Ausnahme, vollkommen leer war.

Stefan Horvath begann zu schreiben

Nach dem Vierfachmord - der erste rassistisch motivierte Mord der Zweiten Republik - begann Stefan Horvath zu schreiben. 2003 erschien der Erzählband Ich war nicht in Auschwitz, 2007 der Roman Katzenstreu, der rund um den Mord und den Mörder kreist. Und das Biotop, in welchem Franz Fuchs solche Vorsätze fassen konnte.

Ein Biotop, das wieder an Konsistenz gewinnt. Stefan Horvath hat wieder ein Theaterstück geschrieben. Es dreht sich um die Paintball-Vorfälle in der Mauthausen-Außenstelle und die Ausfälle Wiener Gymnasiasten im KZ Auschwitz, wo Horvaths Eltern gewesen sind. "Warum" , so fragt sich Horvath, "ist das immer noch so aktuell für die Jugend?"

Das Theaterstück wird zurzeit von Oberwarter Schülern zur Bühnenreife gebracht und Ende April in Oberwart uraufgeführt. Und in der Arbeit mit den Schülern hat Stefan Horvath eine mögliche Antwort gefunden:"Die Kinder übernehmen 1:1, was im Wirtshaus geredet wird."

Gerede über "die Zigeuner" deutlich sensibler

Er meint damit nicht das Gerede über "die Zigeuner" . Diesbezüglich sei man seit dem Attentat "deutlich sensibler geworden, das muss ich sagen" . Aber was da in der Debatte ums nahe Eberau hochkocht, das "erschreckt mich" . Es werde nicht ansatzweise differenziert, nur "allgemein verurteilt" . Das erinnert ihn durchaus an die Stimmung der 1990er-Jahre, als die FPÖ ihr Ausländer-Volksbegehren durchzog.

Gedenken in Oberwart

Am Donnerstag, wird in Oberwart dem Vierfachmord gedacht. Bischof Iby und Superintendent Manfred Koch feiern einen ökumenischen Gottesdienst. Verteidigungsminister Norbert Darabos und Volksgruppenchef Rudolf Sarközi werden auch da sein. Johann Baranyai vom Oberwarter Romaverein wird eine Botschaft des Bundespräsidenten verlesen. Nur Stefan Horvath ist, wie gesagt, in Radstadt. Weil er reden will. Nein:wohl muss. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD Printausgabe 4.2.2010)