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Bereits im Jänner protestierten viele Nigerianer gegen die lange Absenz des nigerianischen Präsidenten. "Umaru, wo bist du?"

Foto: AP/Onigbinde

Extremisten wollen die Krise für ihre Zwecke nutzen.

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Auch am einundsiebzigsten Tag nach der Abreise von Nigerias Präsident Umaru Yar'Adua blieb die Präsidentenvilla leer. Der 58-jährige, der in Saudi-Arabien mit einer Herzbeutelentzündung behandelt wird, ist in Nigeria seitdem nur noch auf Karikaturen zu sehen. In einer stehen Ärzte wartend hinter einer Runde alter Männer, die sich um den im Krankenbett liegenden und offensichtlich bewusstlosen Yar'Adua versammelt haben: "Wir müssen mit der Visite wohl warten, bis die Kabinettssitzung vorbei ist" , flüstert ein Arzt dem anderen zu.

Hinter der beißenden Satire steht die bittere Realität. Nigeria, mit 140 Millionen Einwohnern Afrikas bevölkerungsreichste Nation, steckt in einer Regierungskrise, wie das Land sie seit Ende des Abacha-Regimes vor mehr als zehn Jahren nicht erlebt hat. Kaum ein Nigerianer glaubt, dass der schon seit langem kränkliche Yar'Adua noch in der Lage ist, das Land zu führen. Dennoch will er die Macht nicht an seinen Vize Goodluck Jonathan übergeben. Während Bürger protestieren, hat Nigerias Kabinett dem Regierungschef wiederholt das Vertrauen ausgesprochen. Kenner der politischen Szene in Abuja machen dafür zwei Gründe aus: die Sicherung der Pfründe bis zu den für kommendes Jahr geplanten Wahlen - und den Einfluss der politischen Elite aus dem muslimisch geprägten Norden Nigerias, die mit Jonathan nicht einem Christ aus dem Süden Einfluss in der Frage geben will, wer Yar'Adua auf Dauer nachfolgen soll.

"Yar'Aduas Unterstützer wollen vor allem sich selber helfen" , bilanziert Auwal Mussa Ibrahim, Direktor von CISLAC, einem Lobbyverbund zivilgesellschaftlicher Gruppen in Abuja. "Es gibt eine Kabale rund um den Präsidenten, die sich um das Volk einen Dreck schert." Ibrahim kritisiert, dass seit Yar'Aduas Abreise kein einziges politisches Projekt vorangekommen ist. "Es gibt ein Kabinett, es gibt ein Parlament - die Arbeit könnte weitergehen, aber stattdessen herrscht Stillstand."

Dieser Stillstand kommt Nigeria bereits teuer zu stehen. Den von Yar'Adua gegen große Widerstände beschlossenen Waffenstillstand mit Rebellen im Niger-Delta, kombiniert mit einer Amnestie, hat die militante ,Bewegung für die Emanzipation des Nigerdeltas‘ (Mend) bereits aufgekündigt. Die Regierung hatte zugesagte Verhandlungen ohne Angabe von Gründen platzen lassen, vereinbarte Zahlungen an die Ex-Rebellen blieben aus. Erstmals hat Mend angekündigt, auch außerhalb der Ölregionen Anschläge zu verüben, um der Forderung nach Beteiligung an den Millionengewinnen Nachdruck zu verleihen. Shell musste bereits wegen Drohungen das Öl drosseln.

Ein zweiter Brandherd schwelt im Zentrum Nigerias, wo vor zwei Wochen mehr als 550 Menschen bei Unruhen zwischen muslimischen und christlichen Milizen ums Leben gekommen waren. Am Montag meldete sich Al-Kaida im islamischen Maghreb zu Wort: Man sei bereit, die nigerianischen Brüder und Schwester zu trainieren und mit Waffen auszurüsten, heißt es in der Internet-Erklärung. (Marc Engelhardt aus Abuja/DER STANDARD, Printausgabe, 4.2.2010)