Halten Sie nicht still - seien Sie laut!" , rief Raimund Fastenbauer, Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, der Handvoll Frierender entgegen, die sich am Mittwoch vergangener Woche am Judenplatz zum Gedenken an die Befreiung des KZ Auschwitz versammelt hatte. Fastenbauers Aufruf galt dem für Freitagabend angesetzten Ball deutsch-völkischer Studentenverbindungen in der Wiener Hofburg. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch bereits klar, dass ein Handeln nach Fastenbauers Ratschlag potenziell unangenehme Konsequenzen zeitigen könnte: Hunderte, zumeist jugendliche Antifaschisten hatten sich der Exekutive für ausgiebige Schlagstock-Belastungstests zur Verfügung zu stellen, um nach weiterer Amtsbehandlung mittels Pfefferspray mit Leibesvisitation sowie Anzeige und Geldstrafe bedacht zu werden.
Kaum weniger bedenklich als das Verhalten der Polizei nimmt sich jenes der österreichischen Sozialdemokratie aus: kein/e einzige/r Funktionär/in (mit der notorischen Ausnahme der Parteijugend) hatte im Vorfeld auch nur ein kritisches Wort zu Ball oder Demonstrationsverbot über die Lippen gebracht. Freilich auch nicht Werner Faymann, der noch am Holocaust-Gedenktag aufgerufen hatte, "mit ganzer Kraft den Anfängen zu wehren" , oder Laura Rudas, die zum selben Anlass "Niemals wieder" als "oberstes Gebot all unseres Handelns und Denkens" ausgelobt hatte. Schließlich gab es aber doch noch einen sozialdemokratischen Beitrag am Rande der Demonstration zu vermelden: die Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter hatte sich eingefunden, um die tüchtigen Beamten mit warmen Getränken zu versorgen. Fürwahr, ein Coup im von Häupl und Co ausgerufenen Abwehrkampf gegen den Strache'schen Ungeist: Die Gewerkschafter der freiheitlichen AUF mussten ihr eigene Labestation eine Straße weiter abseits aufschlagen. Sollte die SPÖ-Taktik zur Rückeroberung des Gemeindebaus diesem Vorbild folgen, darf H.-C. Strache sich einstweilen getrost der Jalousienwahl für sein Rathausbüro widmen. (Markus Schachner, DER STANDARD, Printausgabe, 4.2.2009)