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Aufklärung, wo es Not tut: In Ägypten oder Äthiopien verzeichnen Hilfsorganisationen Erfolge in ihrer Sensibilisierungsarbeit.

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Das hilft den bereits betroffenen Frauen und Mädchen nicht, aber vielleicht ihren Töchtern. Im Bild eine 9-jährige Somalierin, deren Wunden nach der FGM besser heilen sollen, wenn die Beine zusammengebunden bleiben.

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Am 6. Februar ist der internationale Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM), der zu "Null Toleranz" gegen die noch in vielen Ländern der Welt, vor allem in Afrika und Asien, verbreitete Tradition aufruft. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) versteht unter FGM "alle Verfahren, welche die teilweise oder vollständige Entfernung der äußeren Genitalien zum Ziel haben, sei es aus kulturellen oder anderen nichttherapeutischen Gründen".

155 Millionen Frauen haben diesen grausamen Eingriff in ihrer Kindheit erleiden müssen und man geht davon aus, dass täglich weitere 7000 Mädchen - vor allem in west- und nordafrikanischen Ländern - Opfer dieses "Rituals" werden. Rund drei Millionen Mädchen sterben laut Schätzungen des internationalen Kinderhilfswerks UNICEF an den Folgen. Auch in Österreich leben laut Schätzungen in Folge von Migration etwa zwischen 6.000 und 8.000 betroffene Mädchen und Frauen.

Verstümmelung verhindern

Um Betroffenen und Gefährdeten zu helfen, hat die Nationalratsabgeordnete Petra Bayr 2003 die "Österreichische Plattform gegen weibliche Genitalverstümmelung - stopFGM" initiiert, um hierzulande die politische Arbeit gegen diese spezifische Form der Gewalt an Frauen voranzubringen. Die Plattform wird mittlerweile von zahlreichen frauenpolitischen Einrichtungen und Personen unterstützt. "Unser Auftrag ist es, dem psychischen und physischen Schmerz, den Millionen von Frauen und Mädchen durch weibliche Genitalverstümmelung erleiden, ein Ende zu bereiten", erläuterte die SPÖ-Bereichssprecherin für Globale Entwicklung am Donnerstag im Rahmen einer Pressekonferenz zusammen mit Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, der Wiener Frauengesundheitsbeauftragten Beate Wimmer-Puchinger und Nesrin Sayed-Ahmed.

Die Plattform stopFGM ist als Netzwerk konzipiert, welches gezielte Initiativen zu Aufklärung und Information in Österreich setzt, "denn neben Beratung für Opfer dieser Verstümmelung ist vor allem die Prävention von entscheidender Bedeutung", so Bayr. "Wir wissen aus Befragungen, dass hier lebende MigrantInnen mit ihren Töchtern auf Heimaturlaub fahren, um sie dieser schweren Körperverletzung auszusetzen", so Bayr, "deshalb ist es besonders wichtig, durch Aufklärung und Information diesen Akt der - in Österreich selbstverständlich auch dann verbotenen, wenn sie im Ausland durchgeführt wird - Verstümmelung an den weiblichen Genitalien zu verhindern."

Info-Folder für die Eltern

Aus diesem Grund hat die Plattform stopFGM einen Folder in fünf Sprachen produziert, der sich direkt an Eltern richtet, die eventuell überlegen, ihre Tochter verstümmeln zu lassen - weil sie oftmals glauben, das sei das Beste für ihr Mädchen. "Wir klären darüber auf, was für gesundheitliche Schäden FGM verursacht - sowohl in physischer als auch in psychischer Hinsicht", erklärt Bayr, "wir machen klar, dass FGM entgegen eines weit verbreiteten Irrtums keine religiöse Begründung hat und dass die Rechtssituation in Österreich eindeutig ist: schwere Körperverletzung ist bei uns verboten und wird mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft." Diese Eltern-Folder wurden bereits seit November vom Gesundheitsministerium an über 1.3000 niedergelassene ÄrztInnen zur Auflage in ihren Praxen österreichweit versandt.

Europäische Kampagne startet

Österreich beteiligt sich zudem an einer internationalen Initiative mit Amnesty International. Am 17.2. wird die europäische Kampagne gegen FGM im Rahmen einer Kick-Off-Veranstaltung im Parlament präsentiert. "Es freut mich auch, dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger sensibilisiert werden", so Bayr. So wurde beispielsweise kürzlich eine grenznahe Beauty-Salon-Einrichtung entdeckt, die unter dem Titel "Beschneidung" auch weibliche Genitalverstümmelungen durchführt und gegen die nun auch vorgegangen wird. "Es ist nicht hinzunehmen, dass Frauen durch solche Eingriffe ihr Leben lang die Lust an Sexualität geraubt wird."

Asyl für Betroffene

Für die Grünen ist der 6. Februar wieder Anlass, ihre Forderung nach Asyl für Betroffene zu erneuern: "Frauen, die vor drohender Genitalverstümmelung flüchten, müssen in Österreich Aufnahme finden", betonte Frauensprecherin Judith Schwentner.

Miteinbezug der Männer...

Auch eine der weltweit größten internationalen Hilfsorganisationen, Care, hat sich dem Thema längst angenommen. "Traditionen können niemals eine Entschuldigung für eine menschenrechtsverletzende Praktik wie die weibliche Genitalverstümmelung sein", erklärt Andrea Wagner-Hager, Geschäftsführerin von Care Österreich. "Auch jahrtausendealte Riten können durchbrochen werden. Aufklärung von Frauen und Männern ist der Schlüssel zur Veränderung", verweist Wagner-Hager auf ein erfolgreiches Projekt von Care in Äthiopien. Nur Zeit braucht es schon: CARE arbeitet in Äthiopien seit mehreren Jahren mit dem Volk der Afar. 95 Prozent der Frauen dieses Nomadenvolkes sind beschnitten. Nur so war es bisher möglich, einen Ehemann zu finden und damit versorgt zu sein. Im Rahmen eines Gesundheitsprojekts gelang es Care über die negativen Folgen der Genitalverstümmelung aufzuklären.

"Wir arbeiten mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der Region und wir arbeiten nicht nur mit den Frauen, sondern auch mit den Männern", erklärt Wagner-Hager. Mit Hilfe eines Videofilms wurde das Schweigen gebrochen: Dorfälteste der Afar wurden über die Genitalverstümmelung informiert. Die Stammesführer sprachen sich daraufhin klar dagegen aus. "Aufklärung ist ein erster und wesentlicher Schritt", betont Wagner-Hager.

...und Hebammen als "Change Agents"

Care arbeitet auch mit Hebammen zusammen, die bei den Afar für die Genitalverstümmelungen verantwortlich sind. Sie werden informiert und davon überzeugt, dass FGM gerade auch bei Geburten zu schwerwiegende Komplikationen führen kann. "Hebammen werden damit zu wichtigen 'Change Agents', die heute die Mädchen davor bewahren, beschnitten zu werden", ergänzt Wagner-Hager.

Unterschriften für bessere Versorgung

In Deutschland engagiert sich die Frauenrechtsorganisation "Terres des Femmes" mit der Kampagne "Kein Schnitt ins Leben" gegen FGM. Zum 6. Februar startet sie überdies eine Unterschriftenaktion zur Verbesserung der medizinischen Versorgung betroffener Frauen in Deutschland. NachTerres des Femmes-Berechnungen gibt es dort über 20.000 bereits betroffene Frauen. 

Dennoch ist weibliche Genitalverstümmelung in Deutschland bislang nicht im medizinischen Diagnoseschlüssel enthalten. Mit der Aufnahme in den Diagnoseschlüssel könne die Zahl der betroffenen Frauen, die aufgrund weiblicher Genitalverstümmelung medizinische Unterstützung benötigen, erfasst werden, zeigt man sich bei Terres des Femmes überzeugt. In der Vergangenheit haben sich Krankenkassen immer wieder geweigert, die Kosten für umfassende Beratungsgespräche oder notwendige medizinische Behandlungen zu übernehmen, da die Behandlung der Folgen weiblicher Genitalverstümmelung nicht im Abrechnungsverzeichnis der Krankenkassen auftaucht. Auch das möchte Terres des Femmes ändern.

"Mit der Unterschriftenaktion möchten wir dazu beitragen, dass sich die Situation betroffener Frauen in Deutschland verbessert", so Irmingard Schewe-Gerigk. Terres des Femmes unterstützt damit die Kampagne "Stop FGM now!" von Waris Dirie, die mit ihrer Autobiografie "Wüstenblume" Millionen Menschen weltweit auf das Thema Genitalverstümmelung aufmerksam machte. (red)