Die SP wirbt mit "dringend" benötigtem "frischem Wind" für Gaweinstal - Der Ort entlang der B7 ist vom Verkehr der vergangenen Jahre gezeichnet

Foto: DER STANDARD/Robert Newald
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Eibesbrunn/Gaweinstal - Friedrich Wimmer ist einer, der nach vorn schaut. Es sei „gut für die Allgemeinheit", dass der meiste Verkehr jetzt über die Nordautobahn (A5) rolle, deren erstes Teilstück vergangenes Wochenende eröffnet wurde. Der Wirt wolle "das Beste daraus machen". Aber für ihn selbst, für sein Gasthaus Schilling in Gaweinstal, das gibt der 59-Jährige dann doch zu, "ist es schrecklich. Es kommen keine Touristen mehr." Viele Polen, sogar Gäste aus Lettland habe er bewirtet. Sie alle waren stets über die von Brno kommende B7 Richtung Wien und retour gefahren. Jetzt sausen sie über die A5.

Beim "Schilling" haben sie Halt gemacht, die eigens übersetzten Speisekarten studiert und sich gestärkt. "Ich habe so viele schöne Erinnerungen", schwärmt der Familienvater. "Dafür bin ich dankbar." Wie es mit seinem Familienbetrieb weitergeht, das könne er noch nicht abschätzen. Wimmer führt das Haus in dritter Generation, die Anfänge des „Schilling" gehen bis ins Jahr 1907 zurück. Eine Zeitlang kehrten vor allem Bahnfahrer im Vorbeigehen ein, da das Gasthaus auf dem kürzesten Weg zum Bahnhof lag. Dann kamen die Autofahrer. Und jetzt?

Jetzt ist vom Schwerverkehr und internationalen Kennzeichen nichts mehr zu sehen. Nur noch Spuren, welche die unzähligen Fahrzeuge hinterlassen haben, zeugen von dem Zustand, der vor ein paar Tagen noch Normalität war. Man war zum Beispiel gewöhnt, "dass man zehn Minuten lang gestanden ist, bis man aus der Ausfahrt fahren konnte", wie Bürgermeister Richard Schober (ÖVP) erzählt.

Bis vor einer Woche schossen an den eingeschoßigen Häusern täglich 20.000 Autos vorbei und hinterließen auf den gelben, grünen und blauen Fassaden eine schwarzgraue Dreckschicht. Viele Gebäude stehen hier leer. "Wenn's hochkommt, fahren jetzt vielleicht 5000 Fahrzeuge am Tag durch", schätzt Schober. „Neu und ungewohnt" sei das, die Ruhe "am Anfang gespenstisch" gewesen. Für den Ort, die Anrainer und Pendler überwiege aber das Positive, sagt Schober. Nur, wie es sich wirtschaftlich auswirken wird, das bleibe noch abzuwarten.

Positiv ist die Umfahrung zum Beispiel für Roswitha Kunzes Tochter. Diese pendelt jeden Tag nach Wien und spart sich jetzt insgesamt rund 50 Minuten Fahrzeit. "Das ist gewonnene Zeit, das ist schon viel", sagt Kunze.

Auch Eibesbrunn weiter im Süden passieren jetzt deutlich weniger Fahrzeuge. Die zu Großebersdorf gehörende Katastralgemeinde erstreckt sich entlang der Brünner Straße, an der Bauern auf bemalten Holzschildern in ihren Einfahrten Traubensaft, Erdäpfel und Wein zum Verkauf anbieten. Unter ihnen auch das Ehepaar Schmidt. Karl Schmidt ist 86 Jahre alt, er hatte sich schon an den Verkehr gewöhnt. "Auf einen Schlag sind die Sattelschlepper verschwunden", sagt er. Um den Verkauf macht er sich aber keine Sorgen. "Der Bekanntenkreis kommt trotzdem."

In Michael Jöchlingers Café direkt gegenüber sitzen auch weiterhin die Stammkunden. Doch bei der ihm ebenfalls gehörenden Tankstelle merkt der 37-Jährige schon jetzt einen deutlichen Umsatzrückgang. "Ein Drittel ist es sicher weniger", sagt Jöchlinger. Man müsse jetzt aber abwarten, wie es nach den Semesterferien sein werde und wenn dann die Raststätten an der A5 eröffnen.

Ein paar Kilometer weiter nördlich, in Wolkersdorf, hat sich weit weniger geändert. "Wir haben ja schon seit Jahren die Umfahrung", sagt Wirtin Helga Eckensperger im Gasthaus "Zum weißen Rössl". Seit dem Jahr 2000 rollt der Verkehr nicht mehr direkt durch den Ort. Die Eröffnung des ersten Stücks der neuen Autobahn macht daher bisher keinen merklichen Unterschied. "Am meisten gespürt haben wir die Herabsetzung der Promillegrenze von 0,8 auf 0,5 Promille", erzählt Eckensperger. "Für ein Mineralwasser bleibt keiner Stehen." (Gudrun Springer/DER STANDARD, Printausgabe, 6./7. Februar 2010)