Die erfolgsverwöhnten deutschen Liberalen durchleben derzeit eine Phase der Desillusionierung. 14,6 Prozent fuhren sie bei der Bundestagswahl im Herbst ein. Jetzt jedoch, drei Monate nachdem sie in der Regierung Verantwortung übernommen haben, liegen sie in Umfragen nur noch bei mageren acht Prozent. Um wieder bei den Wählerinnen und Wählern zu punkten, will die FDP jetzt das Reformtempo erhöhen.

Entgegen allen Abmachungen mit Kanzlerin Angela Merkel wird die FDP nun doch bereits bis zu ihrem Parteitag im April ein eigenes Konzept für Steuersenkungen ausarbeiten, um damit vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen (9. Mai) zu werben. Eigentlich hatte Schwarz-Gelb vereinbart, erst nach der nächsten Steuerschätzung im Mai konkrete Zahlen und Daten zu nennen.

Beschlossen wurde dieses Vorpreschen am Sonntagabend bei einem Krisentreffen der FDP-Spitze in Berlin. Schon zuvor hatte Parteichef Guido Westerwelle seinen Koalitionspartner via Spiegel gedroht: "Ich kann auch anders." In dem Interview mit dem Nachrichtenmagazin erinnert er an den harten Wahlkampf vor der bayerischen Landtagswahl 2008. Bei der Wahl habe die CSU dann die absolute Mehrheit verloren.

"Jetzt geht's los"

Auch Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) verspricht nun eine schärfere Gangart: "Wir werden mehr auf unsere Positionen achten und eine Stufe höher schalten. Jetzt geht's los." Doch die Union steht beim umstrittenen Thema Steuersenkung nach wie vor auf der Bremse und hält von Westerwelles Eile nichts. "Welchen Spielraum wir haben, das werden wir gemeinsam im Juni entscheiden" , meint Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, der wegen der schwierigen Haushaltslage strikt gegen Steuersenkungen ist, droht bereits mit seinem Veto im Bundesrat.

Verärgert sind die Liberalen auch über Umweltminister Norbert Röttgen (CDU). Dieser fordert einen möglichst raschen Ausstieg aus der Atomkraft, da die Bevölkerung auch nach 40 Jahren diese Art der Energiegewinnung mehrheitlich ablehne. "Herr Röttgen muss aus seinen schwarz-grünen Blütenträumen aufwachen" , fordert FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Hintergrund der Auseinandersetzung: Derzeit regiert die CDU in Nordrhein-Westfalen mit der FDP. Die Liberalen sorgen sich aber, dass es nach der Wahl im Mai zu einem schwarz-grünen Bündnis kommen könnte. Ein solches gibt es bereits in Hamburg. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, Printausgabe 9.2.2010)