Für den Beschwerdeführer ist der "Glaube an den Rechtsstaat" ins Wanken geraten. Weil der Verfassungsgerichtshof (VfGH) verbilligte Länderspiel-Fußballtickets für Frauen nicht als Diskriminierung männlicher Ticketkäufer beurteilt, befürchtet der Publizist Robert Marschall, dass jetzt der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen "Tür und Tor geöffnet" sei: einer Unfairness zwischen den Geschlechtern durch Bevorzugung von Frauen, und zwar nicht nur am Fußballfeld.
Doch Marschall fürchtet zu Unrecht. Erstens - fallbezogen -, weil der Österreichische Fußballbund (ÖFB) schon vor Monaten reagiert hat - und die Preisermäßigungen für weibliche Tifosi abschaffte. Zweitens - prinzipiell -, weil es laut den Höchstrichtern durchaus Argumente FÜR geschlechtsspezifische Preiserlässe geben könnte, die dem EU-weiten Gleichheitsgebot nicht widersprechen: In ihrem Spruch deuten sie es am Ende an. Dass sie es nicht weiter ausgeführt haben hängt mit dem Umstand zusammen, dass sich Marschall nicht gegen die um zehn Euro pro Spiel billigeren Tickets als solche beschwert hat. Sondern gegen die - wie er meinte - Säumnis des österreichischen Gesetzgebers, der die EU-Gleichbehandlungsrichtliniennovelle bei Dienstleistungen zum Zeitpunkt des Ticketkaufs noch nicht in nationales Gesetz gepackt hatte. 


Drittens - und hier wird es politisch -, weil diese ganze Angelegenheit in Österreich spielt: In einem Land, in dem die Bekämpfung angeblicher finanzieller Bevorzugung von Frauen etwas besonders Pikantes hat, zumal wenn sie im Namen der Gleichbehandlung vorgebracht werden. Denn gerade in unserem schönen Land werden Frauen finanziell in hohem Maß ungleich behandelt: Fraueneinkommen hinken jenen der Männer stark hinterher, 2009 um durchschnittlich 25,5 Prozent: laut einer 2009 veröffentlichten Expertise EU-weit der vorletzte Platz.
Doch darüber wird in Österreich keine Diskussion geführt, von Pflichtstellungsnahmen diverser Politiker und -innen abgesehen. Und etwas dagegen unternommen wird von den politisch Verantwortlichen schon gar nicht. Also kann jede Frau, die in Österreich nicht im staatlich-öffentlichen Sektor mit seinen Gleichbezahlungsgeboten, sondern in der freien Wirtschaft arbeitet, davon ausgehen, dass sie allmonatlich bar rund um ein Viertel weniger herausbekommt als der liebe Herr Kollege in der vergleichbaren Position. Eindeutig wissen wird sie es meist nicht, weil man in Österreich über das eigene Einkommen nicht spricht - eine Angewohnheit, die der Frauenunterbezahlung in die Hände spielt: der realen Frauenbenachteiligung, nicht Scheinbevorzugung, zum Beispiel durch billigere Fußballtickets.

Irene.Brickner@derStandard.at