Stefan Higatzberger (44), ÖHB-Teammanager, gibt sich Handball auch aktiv.

Foto: Diener

Wien - DJ Ötzi ist noch gegenwärtig. Sweet Caroline dröhnt es aus den Boxen. "Oh, oh, oh!" , folgt postwendend die Antwort von den Zusehern. Und schon ist sie da, die Stimmung in der Stadthalle. Weil aber der offizielle EURO-Song viel zu selten nur in den Spielunterbrechungen angespielt wird, übernimmt der 23-jährige Johann Gangel, das Alphatier im Fanblock, auch gleich die Vorarbeit. Unplugged, ohne musikalische Unterstützung von der CD. "Sweet Caroline!" "Oh, oh, oh!" Der Sektor hüpft und klatscht, auf dem Spielfeld wischt ein Volunteer mit einem Tuch die schweißnassen Folgen eines Zweikampfes vom Parkett. Alles fast wie bei der EURO. Fast.

Eine Woche nach dem Handball-Boom hat in Österreich der Liga-Betrieb wieder Fahrt aufgenommen. Statt Frankreich gegen Kroatien vor 10.000 Fans, wie beim Finale der EM, heißt es in der Wiener Stadthalle nun West Wien gegen Tulln. Vor optimistisch geschätzten 120 Fans, der schwächste Zuseherschnitt in der Handball Liga Austria (HLA) konnte gehalten werden. Gespielt wird dort, wo vor einer Woche das Pressezentrum untergebracht war.

Routiniertester Routinier

"Dass die EURO alles sofort nach oben zieht, war nicht zu erwarten" , sagt Stefan Higatzberger. "Der Euphorie muss ein bisschen Zeit gegeben werden. Verpuffen wird der Handball-Hype sicher nicht." Higatzberger (44) ist Teammanager jenes Handball-Nationalteams, das bei der Heim-EM den sensationellen neunten Platz erreichen konnte, er ist aber auch aktiver Handballer bei West Wien. Manch Mitspieler ist um 25 Jahre jünger als der routinierteste Routinier der Liga. "Ich habe noch viel Spaß am Spiel. Anstatt dreimal pro Woche ins Fitness-Studio zu gehen und dafür zu zahlen, spiele ich lieber Handball."

Zum Einsatz kommt der Abwehrspezialist regelmäßig, auch wenn ihn im Spiel gegen Schlusslicht Tulln ein Stürmerfoul außer Gefecht setzt. "Defensive Spielvarianten hast du im Blut. Die verlernst du nicht."

Higatzberger, 163-facher Nationalteamspieler, hatte mit West Wien in der Champions League große Erfolge (u. a. Heimsieg gegen Santander) gefeiert, ehe er 1994 seine Karriere beendete. Erst zwölf Jahre später juckte es ihn wieder, 2006 kehrte er bei Tulln in die höchste Liga zurück. Im Jänner 2009 wechselte er wieder zu seinem Stammverein West Wien. "Ich habe mit dem Klub einen Deal abgeschlossen. Entweder ich höre auf, oder ich werde vom Trainer darauf aufmerksam gemacht, dass ich besser aufhören sollte."

Playoff in Reichweite

Zutrauen will er sich aber schon noch ein paar Saisonen. Vor allem, da es bei West Wien nach Jahren des Misserfolgs wieder besser läuft. Schlusslicht Tulln ist in der Stadthalle kein wirklicher Prüfstein, am Ende heißt es 28:20 für den Gastgeber. Damit ist auch das Meister-Playoff plötzlich wieder in Reichweite. Rang sechs würde gerade noch genügen, und genau diesen Platz belegen die Wiener vor der letzten Runde im Grunddurchgang, weil Konkurrent Innsbruck überraschend mit 25:26 gegen Schwaz verlor. Wenn Innsbruck am Mittwoch gegen Tabellenführer Krems verliert, ist West Wiens Partie am Samstag in Bregenz, zumindest für den Aufstieg, bedeutungslos.

Während die Mitspieler über die nicht mehr für möglich gehaltene Chance jubeln, denkt Higatzberger, der Teammanager, langfristiger. "Handball muss noch populärer werden. Die Burschen und Mädchen, deren Interesse am Handball durch die Heim-EM geweckt worden ist, müssen in Schulen oder in Vereinen jetzt ein Zuhause finden. Da sind auch die Klubs gefordert" , sagt er.

Das Nationalteam profitiert jedenfalls weiterhin von der Aufmerksamkeit. Für die Austragung des Hinspiels gegen die Niederlande (12./13. Juni) haben sich bereits mehrere Städte beworben. Der Sieger des Playoffs fährt zur WM 2011 nach Schweden. "Früher" , sagt Higatzberger, "musste der Verband die Städte anbetteln." Österreich war, mit Higatzberger, zuletzt bei der WM 1993 in Schweden dabei. "So könnte sich der Kreis schließen." (David Krutzler, DER STANDARD, Printausgabe, 8. Februar 2010)