Ein Ringen um Selbstverständnis und öffentliche Wahrnehmung: Roman Hummel, Thomas Steinmaurer, Uwe Hasebrink, Klaus-Dieter Altmeppen, Vinzenz Wyss (von links nach rechts).

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Salzburg - Kommunikation, Medien, Web 2.0, Informationsgesellschaft: Eigentlich sind sich alle darüber einig, dass das ein Zukunftsfeld der Gesellschaft ist. Allein die zuständige Wissenschaftsdisziplin, die Kommunikationswissenschaft, scheint damit zuweilen überfordert zu sein. Zwischen prekären Betreuungsverhältnissen an der Massenuniversität und internen Richtungsstreitigkeiten scheint die Forschung zu kurz zu kommen. Ein Schein, der trügt?

Nicht ganz, zeigte die Tagung zu "Selbstverständnis und Praxisrelevanz der Kommunikationswissenschaft", die der Salzburger Uni-Fachbereich anlässlich seines 40-jährigen Bestehens am 1. Februar organisierte. "Wir brauchen drei Jahre, um Probleme zu behandeln, die in der Praxis in einem Jahr gelöst werden müssen", beklagte Fachbereichsleiterin Elisabeth Klaus schon in ihrem Eingangsstatement.

"Selbstverständnispapier"

Und die Disziplin ist nach 40 Jahren auf der Suche nach sich selbst: Die drei österreichischen Fachbereiche in Wien, Salzburg und Klagenfurt arbeiten gemeinsam gerade ein "Selbstverständnispapier" aus - auch auf Drängen des Wissenschaftsministeriums, das den Disziplinen abverlangt, zu definieren, was "Kern" und was "Kür" ihres Faches ist. Dabei offenbaren sich Unterschiede zu den Nachbarn, wo die Deutsche Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) in einem Selbstverständnisausschuss ebenfalls um ihre Identität ringt.

In Deutschland sind "Kommunikationswissenschaft" und "Medienwissenschaft" zwei getrennte Disziplinen: Kommunikationswissenschaftler verstehen sich als Sozialforscher, Medienwissenschaftler dagegen vertreten einen stärker philologisch-kulturwissenschaftlichen Zugang. In Österreich ist das nicht der Fall.

Trennung "einfach nicht schlau"

Klaus sieht darin eine Chance: Die Sprachwissenschaft und die Philologien seien derzeit in der Krise und schielten auf das Forschungsfeld Medien - "hier müssen wir sagen: Wir sind diejenige Disziplin, die sich damit beschäftigt." Auch Vinzenz Wyss von der Schweizerischen Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft (SGKM) sagte, es sei "einfach nicht schlau", diese Trennung nach außen zu tragen, denn wenn die Öffentlichkeit Experten zu Medienthemen suche, denke sie nun einmal an die Medienwissenschaft.

Wird die Kommunikationswissenschaft überhaupt wahrgenommen, wenn es um Weichenstellungen im Medienbereich geht? In der Schweiz sei das durchaus der Fall, sagte Wyss, so arbeite die SGKM etwa intensiv mit Forschungsabteilungen von Rundfunkanstalten zusammen. Auch in Deutschland habe die Stimme von Kommunikationswissenschaftlern Gewicht, berichtete Uwe Hasebrink vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung an der Uni Hamburg, etwa in Diskussionen mit Jugendschutzbeauftragten sozialer Online-Netzwerke oder mit den Rundfunkräten öffentlich-rechtlicher Anstalten zum Thema Qualitätsbewertung.

ORF-Diskussion ohne Fachwissenschaft

In Österreich sei die Kommunikationswissenschaft dagegen noch nie Ansprechpartner für die Medienpolitik gewesen, bedauerte Kurt Luger vom Salzburger Fachbereich: "Das ist eine höchst unbefriedigende Situation." So laufe etwa die gegenwärtige Diskussion um ein neues ORF-Gesetz völlig ohne Beteiligung von Kommunikationswissenschaftlern ab, verdeutlichte sein Kollege Thomas Steinmaurer. Und auch Klaus-Dieter Altmeppen von der Universität Eichstätt-Ingolstadt wünschte sich, "die Fachverbände sollten etwas politischere Organisationen werden" und ihre Relevanz stärker darstellen.

Luger sagte, wenn sich die Kommunikationswissenschaft "mit Trivialem beschäftigt", sei sie selber schuld daran, dass sie öffentlich nicht wahrgenommen werde. Ins selbe Horn stieß Wyss: Man beantworte in der Regel nicht, warum bestimmte Forschungsprojekte relevant seien: "Kommunikationsforscher haben da Artikulationsschwierigkeiten." Und Roman Hummel vom Salzburger Fachbereich beklagte mangelnden Grundkonsens im Fach: "Wenn mich ein Medienjournalist anruft und nach einer allgemein konsentierten Definition von öffentlich-rechtlichem Rundfunk fragt, muss ich ihm sagen: 'Die gibt's nicht.' Antwort: 'Wofür gibt's dann euch?'"

"Reflexionswissen" statt Praxisfertigkeiten

Und die Ausbildung? "Wir verstehen uns im Unterschied zu den Fachhochschulen als eine Einrichtung, die nicht ausbildet, sondern nur vorbildet", sagte Steinmaurer, "und zwar für ein relativ breites Spektrum an Berufen." Für Wyss steht fest, dass man sich in einem Kommunikationswissenschafts-Studium in erster Linie nicht konkrete Fertigkeiten, sondern "Reflexionswissen" aneigne: "Wir haben auch das Gefühl, dass Studierende länger als zehn Jahre von dem zehren können sollen, was wir ihnen vermitteln." (Markus Peherstorfer, derStandard.at, 07.02.2010)