Franz Lederers "Trainer-Stammtisch" steht seit mehr als fünf Jahren im Mattersburger Pappelstadion.

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Lederer wehrt sich: " Es ist nicht richtig, dass wir die Schnalzer der Liga sind."

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Der SVM-Trainer im Gespräch mit derStandard.at-Redakteur Alexander Aigner.

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Über die Vorzüge des einstigen Mattersburger 3-5-2-Systems klärte Lederer Simon Hirt auf.

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Nicht immer hält es Herrn Lederer auf seiner Trainerbank. Wenn es im Burgenland so weiter rennt, wird er sie aber wohl nicht so schnell verlassen.

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Mattersburg - Hier sitzt Franz Lederer auf der Trainerbank. Seit mehr als fünf Jahren schon hat der Lederer das Sagen beim Mattersburger Sportverein, so lang, wie kein zweiter Trainer in Österreichs höchster Spielklasse. Vielen seiner "Kleinhäusler" hat der Lederer früher die Briefe nach Hause getragen, als Postbeamter des 6000-Einwohner-Ortes im Burgenland. Warum "wir beißen müssen", Mattersburg "Hausmannskost" ist und er nicht ins Ausland muss, erzählte er Alexander Aigner und Simon Hirt.

derStandard.at: In der Vorbereitung wurde auch gegen die nordkoreanische Nationalmannschaft getestet, was nehmen Sie daraus in die Bundesliga mit?

Franz Lederer: Wir haben in der Frühjahrssaison viele Gegentore bekommen, dort wurde der Hebel angesetzt und der Fokus auf das gegen den Ball Arbeiten gelegt. Bei dem Test gegen Nordkorea haben wir vorher nicht gewusst, ob die uns einfach irgendwelche Lausbuben schicken. Das Spiel war auf hohem Niveau. Die Disziplin und Lauffreudigkeit der Koreaner hat mich beeindruckt. Man hat das Gefühl gehabt, die Erziehung des Regimes, sieht man auf dem Platz.

derStandard.at: Magna-Trainer Peter Schöttel gibt zum Rückrunden-Start sein Bundesliga-Debüt in Mattersburg, auf was freuen Sie sich zum Wieder-Ankick?

Lederer: Mir ist egal was sich bei Magna auf der Trainerbank tut. Das ist quasi ein Derby und bei den letzten beiden Niederlagen waren wir nicht die Schlechteren sondern die Naiveren, haben durch individuelle Fehler verloren. In meinem Kader stehen viele "Frischlinge", also Spieler mit wenig Bundesliga-Erfahrung. Bei manchen ist der Stress vorm Spiel so groß, dass wenn du die anstichst, da kein Blut raus kommt. In Mattersburg müssen wir solche Fehler unserer Spieler schlucken und daran arbeiten wir.

derStandard.at: Stört Sie das Image einer "Holzhacker-Truppe"?

Lederer: Das stört mich maßlos. Es ist nicht richtig, dass wir die "Schnalzer" der Liga sind. Aber ist der Ruf erst mal ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Wissen Sie was mir am englischen Fußball am meisten auffällt, dass die Schiedsrichter nie auffallen. In Mattersburg können wir nicht einfach Fußball nach Vorschrift spielen, wir müssen über die Emotion kommen und uns verbeißen sonst sind wir nur die Hälfte wert. Es ist aber nicht unsere Klub-Philosophie. In unserer Akademie werden wir nicht sagen gemma, gemma, Gas, laufen und einihauen.

derStandard.at: Trauen Sie ihrer Mannschaft spielerische Sprünge zu oder fehlt es an kreativen Ballesterern?

Lederer: Es wirkt nicht immer ästhetisch, was wir auf dem Platz produzieren. Aber Ich kann nicht einfach sagen, ich will einen Kuljic haben, das geht bei uns finanziell nicht und die Zeiten eines Didi Kühbauer sind lange her.

derStandard.at: Stichwort Kühbauer, braucht Mattersburg nicht wieder einen Spielmacher?

Lederer: Wie viele Kühbauers gibt es in Österreich? Diese Spezies wird im Fußball immer seltener und in Mattersburg müssen wir die Verantwortung als Team auffangen. Wenn der Hofmann und der Heikkinen Rapid verlassen, haben die auch Probleme.

derStandard.at: Wird Fußball nach Taktik oder aus dem Bauch gespielt?

Lederer: Theorie und Taktik sind wichtige Bestandteile des Spiels. Ich bin jetzt aber nicht so ein Freak, der sagt nur Taktik. Jedes Training nur schieben, schieben, schieben, das machen die Italiener, und trotzdem kommen sie international klub mäßig auch nicht mit. Man muss es schaffen jungen Spielern Taktik auch schmackhaft zu machen. Die können alle Playstation spielen, vielleicht ist das ein Zugang, Taktik zu schulen. Es muss aber auch ein Bauchgefühl geben. Im Spiel musst du einfach auch intuitiv reagieren.

derStandard.at: Sie haben als einer der letzten Bundesliga-Trainer lange Zeit am 3-5-2-System festgehalten, warum hat sich das geändert?

Lederer: Unser 3-5-2 haben alle als antik bezeichnet, aber wir waren damit erfolgreich, weil wir im Mittelfeld einen Spieler mehr hatten. Jetzt haben wir das Spielermaterial dazu nicht mehr. Rapid, Salzburg und die Austria, nein die Austria doch nicht, die haben ihr Werkl, aber wir müssen immer überlegen, wo können wir mitspielen, wo dagegen halten.
Ich kann auch den Constantini verstehen, wenn er hinten mit vier Innenverteidigern spielen will, du bist zwar in der Spieleröffnung limitiert, aber hinten brennt nicht so viel an.

derStandard.at: Der SV Mattersburg hat auf Rang sieben überwintert mit 16 Punkten Abstand zu Schlusslicht Kärnten und 13 Zählern Rückstand auf einen EL-Platz, wird die Rückrunde für ihre Mannschaft reines Mittelfeldgeplänkel?

Lederer: Zu Beginn der Meisterschaft waren wir der Fixabsteiger. Jetzt schaut es so aus, als wäre weder nach oben noch nach unten viel möglich. Wir wollen Erster hinter den vier Traditionsklubs werden, das wäre dann für Mattersburg ein toller Erfolg. Das Hauptziel muss es aber sein, junge Spieler in die Mannschaft einzubauen.

derStandard.at: Wie schaut die längerfristige sportliche Zielsetzung als Mattersburg-Trainer aus oder zählt jedes Jahr bloß das „Überleben" in der Bundesliga?

Lederer: Wir können uns keine Mannschaft zusammen kaufen, die vorne mitspielen kann. In Mattersburg muss man hoffen, dass die Akademie zu greifen beginnt. Das längerfristige Ziel lautet ein Bestandteil der Bundesliga zu bleiben, das ist dann so, wie wenn Rapid in der Champions League mitspielt.

derStandard.at: Hat der SVM ein professionelles Scouting-System?

Lederer: Da müssen wir uns sicher noch besser aufstellen. Früher haben wir noch leichter Spieler in Ungarn, Tschechien oder der Slowakei gefunden, heute decken das die großen Vereine ab. In der Jugend entscheidet sich kein Nachwuchsspieler gegen Rapid und für Mattersburg. Wir müssen andere Reize als die Großen bieten.

derStandard.at: Mattersburg ist zweifacher Cup-Finalist und mit dem dritten Tabellenplatz 2006 gelang dem SVM das beste Abschneiden eines burgenländischen Fußballklubs. Haben Sie eine logische Erklärung für das, Achtung Phrase, „Fußball-Märchen" von Mattersburg?

Lederer: Es war einmal ein Hype. Mit den Zuschauern im Rücken waren wir eine Macht in Mattersburg. Leider fällt ein Christian Fuchs nicht alle Tage vom Baum, ein Didi Kühbauer beendet nicht immer seine Karriere bei uns und der Michi Mörz spielt halt auch nicht immer gleich gut. Das war schon eine starke Mischung.

derStandard.at: In der Saison 2002/03 war der SV Mattersburg mit einem Zuschauerschnitt von 9.800 Fans, trotz der Zweitklassigkeit, Österreichs meistbesuchter Fußballverein. Im Folgejahr kamen pro Spiel 11.069 Menschen Bundesliga schauen, heuer sind es nur mehr 5.811. Wo ist er geblieben, der gemeine SVM-Anhänger?

Lederer: Der SV Mattersburg war ein Event. 14. 000 Menschen, die schon zufrieden waren, wenn wir zweimal aufs Tor geschossen haben. Damals wollten in Mattersburg einfach alle dabei sein. Leider ist die Welle der Euphorie mittlerweile versickert. Die Fans interessiert es einfach mehr, wenn man vorne mitspielt oder ganz unten um das Leben raufen muss. Vielleicht hat es auch manche Besucher gestört, dass das Pappelstadion aufgrund der Sitzplatz-Adaption sein Stehplatz-Flair verloren hat. Das Fernsehen macht es jedem Sport zusätzlich schwer: Wenn man zuhause auf dem Flatscreen Bayern gegen Real Madrid in der Champions League schauen kann, dann sind wir in Mattersburg nur die Hausmannskost. Die Leute werden erst wissen, was sie im Pappelstadion versäumen, wenn es hier keinen Bundesliga-Fußball mehr gibt.

derStandard.at: Sie sind in Mattersburg geboren, haben die Briefe im Ort ausgetragen und betreuen jetzt den Stadtverein - Ist die Welt in Mattersburg groß genug?

Lederer: (lacht) Es war nie mein Ziel unbedingt Cheftrainer in Mattersburg zu werden. Ich wollte immer nur mithelfen, aber weg von hier will ich auch nicht. Ob ich mal ins Ausland will und das um jeden Preis, das ist, glaub ich, nicht mein Ziel.

derStandard.at: Kein anderer Bundesliga-Trainer sitzt bei seinem Verein länger auf der Trainerbank als Sie - Wie schafft man das?

Lederer: Vor einem Jahr haben 99 Prozent gesagt, der Trainer in Mattersburg muss weg. Der Verein und Obmann Pucher haben mir vertraut und es ist gut gegangen, aber das spielt's nicht bei jedem Verein. Obwohl es sportlich nicht gelaufen ist, habe ich gespürt, dass mir die Mannschaft noch zuhört, so etwas merkt man, nur wollen es viele Trainer nicht wahr haben.

derStandard.at: Herr Trainer, sind Sie ein Stratege?

Lederer: Ich geh in kein Spiel, ohne jede Situation durchgedacht und mir aufgeschrieben zu haben. Wenn sie mir meinen Zettel wegnehmen, dann werde ich unrund. Aber die beste Strategie ist dahin, wenn ein frühes Tor fällt oder eine Rote Karte gezeigt wird. Das Spielsystem bestimmt aber weitgehend die Mannschaft. Ich kann nicht mir nicht ein System aussuchen und dann die nötigen Spieler kaufen, das kann sich Mattersburg nicht leisten.

derStandard.at: Kann man sich in Mattersburg als Trainer einen Namen machen?

Lederer: Man muss sich als Trainer immer fragen, soll der Verein nur ein Sprungbrett sein. Keine Ahnung, ob andere Klubs über mich als Trainer schon mal nachgedacht haben. Es heißt halt immer, der Lederer pass eh nur zum SV Mattersburg. Würde der Kühbauer einmal Mattersburg-Trainer und macht da gute Arbeit, dann ist er sicher für jeden österreichischen Klub eine heiße Aktie.

derStandard.at: Fußballklub-Präsidenten sind in Österreich für ihre Trainer häufig mühsame Vorgesetzte, LASK-Boss Reichel könnte hier gemeint sein - Wie geht man am besten mit ihnen um?

Lederer: Beim LASK war doch alles darauf angelegt den Trainer weg zu bekommen. Martin Pucher und ich können miteinander reden und beim Reden kommen die Leut zusammen. Als SVM-Trainer werd ich zwar nicht in Pension gehen, aber ich will die Akademie noch zum Greifen bringen. Da bin ich eh dann schon bald fünzig. Dem Thomas Schaaf seine Trainer-Marke in Bremen zu knacken, der ist schon 10 Jahre dort, das wäre dann eh schon unfassbar. (lesa, sh, derStandard.at, Donnerstag, 11. Februar 2010)