Berufsdetektivin Cornelia Haupt hat sich auf Wirtschaftskriminalistik spezialisiert: "Wenn man plötzlich bei einem Fall 200 Firmen und 30 Personen in verschiedenen Ländern ausgeforscht hat, dann wird es spannend."

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Langer Trenchcoat, den Hut ins Gesicht gezogen, vorsichtig um die Hausecke spähend - das ist das klassische Klischee, mit dem sich Cornelia Haupt als Berufsdetektivin häufig konfrontiert sieht. "Leute, die erfahren, was ich mache, assoziieren damit als erstes: 'Ah: Sie fahren untreuen Ehemännern nach!'"

Dabei sind Ehebruchsfälle so gar nicht ihre Sache. Die gebürtige Niederösterreicherin hat sich auf Wirtschaftskriminalität spezialisiert: "Die spannendsten Fälle sind für mich die, bei denen es um Firmenverflechtungen, Geldverschiebungen, fingierte Firmengründungen, usw. geht. Mich interessiert es, im Internet, in der Nachrichtenagentur, in Zeitungen Hintergründe zu recherchieren, Firmenbuchauszüge, Kauf- und Gesellschafterverträge, Jahresabschlüsse und Aktienberichte zu studieren. Wenn man plötzlich bei einem Fall 200 Firmen und 30 Personen in verschiedenen Ländern ausgeforscht hat, dann wird es spannend."

Der Alltag sieht für Haupt jeden Tag ein wenig anders aus: "Auswärtstermine, Erhebungen, Besprechungen und Treffen mit Kollegen; die meiste Zeit verbringe ich aber am Computer und am Handy. Ich delegiere und koordiniere Observationen und Ermittlungen, wälze Akten und recherchiere." In den 20 Jahren, die sie schon im Beruf ist, hat sich die Detektivin ein umfangreiches Privatarchiv sowie ein großes Netzwerk an Kontakten und Spezialisten im In- und Ausland aufgebaut, vom IT-Security-Fachmann bis zu eingespielten Observationsteams: "Wenn ich aus London etwas brauche, muss ich nur einen Freund anrufen und eine Stunde später habe ich die Informationen."Die meisten ihrer Kunden kommen mittlerweile auf Empfehlung von Kunden, für die sie schon gearbeitet hat, darunter hauptsächlich Unternehmen, Konzerne. "Einen erfahrenen Spezialisten für Wirtschaftskriminalität findet man am besten über Mundpropaganda - der steht nicht im Anzeigenteil der Tageszeitung."

Männerdominiert

Der Beruf ist klar männerdominiert. Von den 330 angemeldeten BerufsdetektivInnen in Österreich - die Bezeichnung 'Privatdetektiv' wurde 1973 abgeschafft - sind etwa zehn Prozent Frauen mit eigener Detektei, die meisten haben sie von ihrem Mann oder Vater übernommen. Der Anteil an Assistentinnen liegt bei rund 30 bis 40 Prozent. "Frauen wurden in den letzten 20 Jahren vermehrt in den operativen Bereich übernommen, sei es als Kaufhausdetektivinnen oder bei Observationen", erklärt Haupt. "Ich kenne Kollegen, die ihre Observationsteams fast ausschließlich mit Frauen besetzen, weil niemand damit rechnet, da die meisten eben das typische Klischee vor Augen haben. Frauen sind in dem Job genauso belastbar wie Männer. In der Regel haben die, die diesen Beruf gewählt haben, ein sehr starkes Rückgrat, sonst wären sie dafür sowieso ungeeignet."

Als Grundvoraussetzungen für ihren Beruf nennt sie: "Mut, Neugierde, eine gesunde Portion Selbstbewusstsein, Eigeninitiative, Flexibilität und gute Selbstorganisation. Besonders wichtig sind auch Geduld und eine gesunde Blase: Man sitzt nicht selten zehn bis zwölf Stunden im Auto und wartet. Eine fundierte Fachausbildung sollte man haben, etwa vom Europäischen Detektiv-Verband, und zumindest ein bisschen Lebenserfahrung sollte man mitbringen: Wenn Berufsanwärter mir heute erklären, sie hätten eine Adresse nicht gefunden, weil 'die war nicht im Navi', dann werde ich laut."

Kindheitstraum

Dass sie Detektivin werden möchte, habe sie immer schon gewusst - was ihr als Teenager nur mitleidige Blicke und Kopfschütteln einbrachte. "Mit elf habe ich meinen Bruder schon mit einem versteckten Diktiergerät mit Sprachsteuerung bei seinen romantischen Tete-à-tetes 'abgehört', mit Freundinnen notierte ich alles, was in unserer Ortschaft meiner Meinung nach auffällig war, ich studierte alle Bücher von Agatha Christie und war von den Gedankengängen Hercule Poirots schwer beeindruckt. Das Analysieren, das logische Denken, das 'Aha-Erlebnis', wenn sich am Schluss alle Puzzleteile zusammenfügen, das fasziniert mich in meinem Beruf bis heute."

Allen ZweiflerInnen zum Trotz setzte Cornelia Haupt ihren Berufswunsch nach der Matura in die Tat um: "Ich habe eine einzige Bewerbung verschickt, an die Detektei in St. Pölten, und es hat auf Anhieb geklappt. Ich hatte überhaupt keine Vorstellung von dem Beruf, stellte es mir einfach nur außergewöhnlich und spannend vor - ein berufliches Abenteuer, was es auch war."

Von der Pike auf

Aus dem zunächst vereinbarten Probemonat sollten vier Jahre werden, in denen sie den Detektivsjob mit all seinen Facetten von der Pike auf lernte. Als Frau musste sie sich in dem männerdominierten Beruf jedoch erst einmal beweisen: "Der erste Satz von einem Kollegen war: 'Wozu brauch' ma bitte a Frau?' Dadurch, dass ich erst 19 und dazu noch eine Frau war, haben sie mir jeden unangenehmen Fall zugeteilt, sind gleich mal 220 auf der Autobahn gefahren, um zu sehen, ob ich nachkomm, haben mir ein Ei nach dem anderen gelegt. Ich habe mir aber nicht alles gefallen lassen und irgendwann haben sie mich akzeptiert. Zu den meisten Kollegen habe ich heute noch Kontakt."

1994 legte Cornelia Haupt mit 24 Jahren die staatliche Konzessionsprüfung für Berufsdetektive ab und machte sich mit ihrer Detektiv- und Sicherheitsagentur „Blue Moon" in Klagenfurt selbstständig. "Ich habe mit meinem damaligen Lebenspartner einen Kredit aufgenommen, alles Hab und Gut bis auf das, was in unser Auto passte, aufgegeben und die Firma eröffnet", erinnert sie sich. "Wir haben anfangs alle Fälle angenommen, die hereinkamen, um zu überleben, von der Pfuscherbekämpfung bis zum Zigarettenschmuggel. Es war damals alles andere als einfach, potenziellen Auftraggebern klar zu machen, dass ich kompetent bin. Ich war erst Mitte zwanzig in einer Männerbranche unterwegs, ich kannte die Region nicht und musste daher doppelt und dreifach kämpfen."

Zurück in die Heimat

2005 entschied sich die Wirtschaftsermittlerin, das eigene Büro in Kärnten aufzugeben und zurück nach Niederösterreich zu gehen. "Ich merkte einfach, dass ich in Kärnten nicht mehr weiterkomme, wollte mich weiterentwickeln und war einfach zu weit weg vom Schuss. Die Kunden, die ich jetzt habe, würden nicht in ein Detektivbüro kommen; ich treffe sie auswärts, viel läuft über E-Mail. Ein kleines Büro für Besprechungen teile ich mir noch mit einem Kollegen in Wien." Am Ball zu bleiben ist ihr wichtig: 2009 absolvierte sie an der Donauuni Krems das Studium "Security & Safety Management", seit 2002 gibt sie viermal im Jahr in Eigeninitiative die Fachzeitschrift "der detektiv" heraus, sie organisiert Fortbildungen und Veranstaltungen zu Themen wie Lauschabwehr, Tatort Firma oder Forensik.

Ist es schwierig, als Detektivin mit so unregelmäßigen Arbeitsbedingungen ein 'normales' Beziehungs- und Familienleben zu führen? "Ich weiß es nicht - ich habe noch nie ein 'normales' Leben geführt", schmunzelt Haupt. "Die meisten meiner Kollegen führen kein 'normales' Leben, außer die der älteren Generation - vielleicht ist das in der Branche so, weil Partner oft nicht verstehen, warum man so viel am Wochenende und abends arbeiten muss. Ich weiß ja selbst, wie ich bin, wenn ich mich in einen Fall verbeiße ..."

"Die Großen können sich's immer richten"

Nicht alles, was Cornelia Haupt herausfindet, gelangt auch immer an die Öffentlichkeit, denn: "Ich hatte Fälle aufgedeckt, wo ich zwei Tage später eine Betriebsprüfung hatte. Mir wurde auch schon telefonisch ausgerichtet, ich solle das Schnüffeln doch jetzt besser lassen ... Da muss ich abwägen, ob es dafürsteht, um mir nicht selbst zu schaden." Vieles, was sie weiß, worüber sie aber nicht reden kann, ärgere sie enorm: "Ich schaffe es nicht immer, die Dinge einfach zu übergehen. Ich bin wütend, dass es solche Zustände gibt, ärgere mich, dass es sich die Großen immer richten können und dass in Österreich vieles davon abhängt, mit wem man in die Volksschule oder auf die Uni gegangen ist." Als Detektivin unterliege sie einer gesetzlichen Schweigepflicht, manche Auftraggeber würden sich aber bewusst entscheiden, dass Informationen etwa den Medien zugespielt werden. Manche Dinge müsse sie hin und wieder auch "einfach jemandem erzählen, um meinem Ärger Luft zu machen, dann aber so, dass man keine Rückschlüsse ziehen kann."

Falsches Fernsehbild

Entspricht das, was Matula & Co. uns im Fernsehen zeigen, eigentlich der Realität? "Vielleicht von den Auftragsinhalten her, aber von der Auftragserledigung sicher nicht", sagt Haupt. "Der Matula kriegt in jeder Folge eine auf die Nase, muss niemals pinkeln, bekommt immer gleich einen Parkplatz und stellt sich immer genau vors Haus, wo ihn jeder gleich sieht." Die meisten TV-Serien vermittelten ein ganz falsches Berufsbild. Eine Observation etwa verlaufe in der Regel mit zwei bis drei verdeckt agierenden Detektiven plus Autos, die sich abwechseln. "Und nicht so wie beim Matula, der allein stundenlang unter der Laterne vorm Haus steht."

Angst kennt die erfahrene Privatdetektivin nicht: "Die einzige Angst, die ich habe, ist vor dem Finanzamt: Ich habe schon mit Mördern gesprochen, war bei Vergewaltigern im Gefängnis, es wurde ein Hund auf mich gehetzt, ich wurde mit dem Messer bedroht und stand Schmugglern und Dealern gegenüber. Als Selbstständige fürchte ich mich aber nur davor, durch die steigenden finanziellen Belastungen meine Existenz zu verlieren - und ich weiß, das geht vielen so."

Die rosa Brille abgenommen

Nach intensiven Jahren mit Aufträgen, Herausgabe der Fachzeitschrift, berufsbegleitendem Studium und der Veröffentlichung eines Fachbuchs fühlt sich Cornelia Haupt derzeit kräftemäßig am Limit: "Ich hatte letztes Jahr ein massives Burn-out, sollte zwei bis drei Monate Auszeit nehmen - aber den Verdienstentgang kann ich mir nicht leisten." Würde sie sich noch einmal für diesen Beruf entscheiden? "Ich weiß nicht ob ich jetzt, nach dem, was ich alles darüber weiß, den Mut dafür nochmals aufbringen würde, ob ich noch einmal alles für die eigene Detektei aufgeben würde. Ich finde meinen Beruf noch immer interessant, aber nach 20 Jahren in dieser Branche bin ich etwas abgeklärter und sehe manches nicht mehr durch die rosa Brille wie als junger Mensch. Der Markt ist und wird härter. Und wenn ich bei meinen Fällen sehe, wie leicht es sich viele machen und man selbst das Gefühl hat, nur mehr für das Finanzamt und die Krankenversicherung zu arbeiten, ist das sehr demotivierend."

Ausgleich findet die Berufsdetektivin durch guten Schlaf, bei Spaziergängen in der Natur mit ihren beiden Hunden und durch die kleinen Freuden und Erfolge im Alltag: "Erfolg muss sich nicht immer durch Größe und materiellen Gewinn äußern. Wenn ich ein Problem löse, das niemand sonst lösen konnte, und Kollegen sagen: 'Du bist eben die Beste' - das ist für mich ein schöner Erfolg." (Isabella Lechner/
dieStandard.at, 14.2.2010)