Peter Hein (Mitte) und seine 1979 gegründeten Fehlfarben veröffentlichen mit dem neuen Album "Glücksmaschinen" eine der stärksten Arbeiten ihrer sich dem Erfolg verweigernden Karriere.

 

 

Foto: Kim Frank

Wien - Vor 30 Jahren brachten Peter Hein und seine Düsseldorfer Bandkollegen von Fehlfarben mit dem Album "Monarchie und Alltag" ein zentrales Werk der deutschen Popgeschichte heraus. Neben Arbeiten von Can, Ton Steine Scherben, Kraftwerk, Deutsch-Amerikanische Freundschaft oder Einstürzende Neubauten wurde hier radikal subjektiv das Lebensgefühl einer Generation auf den Punkt gebracht. Das Alleinstellungsmerkmal der Fehlfarben: ein heute vorbildlicher deutschsprachiger Beschwerderock-Stil mit laut quengelnden Gitarren.

Dieser sehr gern auch eine Spur neben der jeweiligen Grundtonart dargebrachte Deklamationsstil rief später in dieser Konsequenz nur noch selten eine ähnlich radikal formulierte Verweigerungshaltung hervor. Wir sprechen über eine in Liedern wie "Das war vor Jahren", "Paul ist tot" oder "Gottseidank nicht in England" gerade auch über die Etablierung eines streng subjektiven Wir-Gefühls betriebene Ablehnung gesellschaftlicher Mindestanforderungen. Von Verantwortung musste man erst gar nicht reden.

Wer, so wie Peter Hein, zeitlebens nicht "dazugehören" will, hat nicht nur einiges zu beklagen. Diese seit mittlerweile über drei Jahrzehnte betriebene Renitenz ruft auch zahlreiche Nachahmungstäter auf den Plan. Tocotronic, Die Sterne, Goldene Zitronen, Surrogat, die frühen Blumfeld, allesamt Schüler der Fehlfarben, konnten dies mitunter kommerziell besser vermarktbar formulieren. Das Original blieb allerdings unerreicht. "Monarchie und Alltag" verkaufte bis heute trotz aller Beweihräucherung trotzdem nur relativ schmale 250.000 Stück.

Modernisierungsverweigerer

Das aufsässige Original, das, abgesehen von einigen kurzfristigen Comebacks, seither geschwiegen oder mit der Zweitband Family Five verbindlichere, an Sixties-Mod-Rock angelehnte Partymucke für Modernisierungsverweigerer betrieben hatte, brach auseinander. Ein Brotberuf als siebter Zwerg von links in einem globalen Technologieunternehmen, von Hein bis herauf in die Nullerjahre und zu seinem 50. Geburtstag betrieben, war einer Karriere im Oldie-Zirkus renitenter Punk-Frührentner allemal vorzuziehen.

2002 folgte mit dem Album "Knietief im Dispo" und der Single "Club der schönen Mütter" ein bejubeltes Comeback. Zuletzt folgten 2007 die durchwachsene Arbeit "Handbuch für die Welt" und tendenziell missmutig betriebene, aber mitunter mitreißend gallige Gastspielreisen durch die deutsche und österreichische Provinz. Außerdem ein Umzug von Düsseldorf nach Wien; der Liebe wegen.

Mit dem angenehm schmal gehaltenen neuen Album "Glücksmaschinen" und neun Songs drücken die Fehlfarben nun ordentlich aufs Gaspedal. Wir hören Großtaten wie den Titelsong "Neues Leben", die rührende Anti-Facebook-Hymne "Vielleicht Freunde 5" ("Man wusste doch nie, ob man wirklich Freunde hat, erst der Freundezähler hat's an den Tag gebracht.") oder "Wir Warten" (Ihr habt die Uhr, wir die Zeit). Eventuell müde gewordenem Aufbegehren wird mit Tempo und Affektaufladung entgegengearbeitet.

Nach wie vor setzt Peter Hein mit schneidigem Antigesang und der Einführung eines renitenten "Wir" gegen ein unmissverständliches "Sie" auf Abgrenzung und schlechte Laune. Der Feind ist klar definiert. Wer bei "ihnen" mitmacht, hat schon verloren. Das macht mit burschikos drängenden Gitarren, hüftsteifem Discobass, modernistischen Dub-Effekten Spaß trotz Unmut. Eine Frage bleibt. Warum, verdammt noch einmal, wird jetzt schon wieder keiner zuhören wollen? (Christian Schachinger / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.2.2010)