John Kon Kelei wurde im Bürgerkrieg im Sudan von der Sudan People's Liberation Army (SPLA) rekrutiert, als er vier Jahre alt war.

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STANDARD: Wie sind Sie ein Kindersoldat geworden?

Kon Kelei:Ich wurde von der Sudan People's Liberation Army (SPLA) (Rebellengruppe im Südsudan, Anm.) rekrutiert, als ich vier Jahre alt war. Sie gingen durch die Dörfer und fragten die Eltern nach Kindern zwischen 4 und 14 Jahren. 20.000 haben sie rekrutiert, zusammen sind wird dann zu Fuß nach Äthiopien gegangen. Mit sechs hat mein militärisches Training begonnen.

STANDARD: Haben Sie Ihre Eltern freiwillig hergegeben oder hat die SPLA sie gezwungen?

Kon Kelei: Sowohl als auch. Die Eltern sollten die Kinder aus freien Stücken hergeben, aber manche, die nein gesagt haben, wurden dann gezwungen.

STANDARD: Was haben Sie bei der People's Liberation Army gelernt?

Kon Kelei: Zu schießen, wie man Städte angreift und militärische Disziplin. Wir haben genauso trainiert wie die Erwachsenen. Wenn wir einen Fehler machten, mussten wir in der Sonne stehen, bis wir umfielen. Dann wurden wir zum Fluss geschleppt und untergetaucht, bis wir fast ertranken.

STANDARD: Was war Ihre Aufgabe nach der Ausbildung?

Kon Kelei: Ich musste nicht an die Front, ich war zu jung. Ich musste im Camp kochen und Wache halten und es verteidigen, falls wir angegriffen wurden. Wir gingen täglich zwei Stunden zur Schule, den Rest des Tages arbeiteten oder trainierten wir.

STANDARD: Wie sind Sie der Armee entkommen?

Kon Kelei: Als ich zehn war, bin ich aus dem Lager geflohen. Ich habe mich genau vorbereitet, wo wann welche Wachen sind. In einem günstigen Moment bin ich gerannt.

STANDARD: Wie ging es dann weiter?

Kon Kelei: Ich habe erst meine Eltern gesucht, sie aber nicht gefunden. Also bin ich nach Khartum (Hauptstadt des Sudan, Anm.) und bin zur Schule gegangen. Um das Schulgeld zu bezahlen, habe ich gearbeitet. Das Schwerste war, mich wieder zu integrieren. Ich habe im Busch nur gelernt, brutal zu sein und Menschen zu verletzten. In meiner Klasse haben die Kinder aber Liebe und Respekt von mir erwartet - dass ich mich entschuldige, dass ich ihnen vergebe. Das war das Gegenteil dessen, was ich gelernt hatte.

STANDARD: Wie haben Sie es geschafft, sich wieder zu integrieren?

Kon Kelei: Ich habe den Leuten zugesehen bei dem, was sie gemacht haben. Die Schule hat mir sehr geholfen. Je mehr ich gelernt habe, desto besser bin ich mit der Welt um mich zurecht gekommen.

STANDARD: Wie kann verhindert werden, dass Kinder als Soldaten rekrutiert werden?

Kon Kelei: Das ist schwierig, weil die Rekrutierung überall unterschiedlich geschieht. Ich wurde rekrutiert, um meinem Land zu helfen, anderswo gehen die Kinder selbst zur Armee, weil sie dort Geld verdienen. Wieder anderswo werden sie gezwungen. Es gibt bereits viele internationale Abkommen gegen Kindersoldaten, aber die Umsetzung ist noch nicht geschafft. Auch Österreich muss helfen, zum Beispiel durch diplomatischen Druck auf Länder, die Kindersoldaten rekrutieren.

STANDARD: Wie kann man Kindern helfen, die bereits Soldaten sind?

Kon Kelei: Wieder: Diplomatischer Druck auf die Gruppen, die Kinder rekrutieren. Auch ein Embargo gegen kleine Waffen kann helfen. Außerdem muss man denen, die fliehen, Chancen bieten. Wenn für sie alle Türen geschlossen bleiben, dann gehen sie zurück zum Militär. (Tobias Müller, DER STANDARD, 12.2.2010)