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Kraftstrotzendes Talent: Ernst Krenek.

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Manchmal schreibt das Leben die dramatischsten und wunderlichsten Geschichten. So wie die kurze, aber heftige Beziehung zwischen Maler Oskar Kokoschka und Alma Mahler kaum an Tragik zu überbieten ist, so skurril verlief auch ihr Nachspiel.

Kokoschka meldete sich nach der Trennung als Kriegsfreiwilliger, wurde 1915 durch einen Kopfschuss schwer verwundet und ließ sich, nachdem er heimgekehrt war, eine lebensgroße Puppe nach dem Vorbild der Geliebten machen. Die Alma-Puppe wurde seine Begleiterin ins Restaurant oder in die Oper und zum Modell für unzählige Bilder - bis ihr der Künstler nachts im Garten den Kopf abhackte.

Unmittelbar nach seiner Kriegsverletzung war Kokoschka von wiederkehrenden Halluzinationen verfolgt worden. Aus diesen entwickelte er jenen Orpheus-und-Eurydike-Text, dessen sich Ernst Krenek (1900 - 1991) einige Jahre später für ein Libretto bediente. Der Komponist war, als die Oper 1926 in Kassel uraufgeführt wurde, noch blutjung. Doch hatte er die Kraft des Textes und vor allem seine Eignung für eine Vertonung mit sicherem Gespür erkannt.

In einer vor bildhaften Formulierungen berstenden, verrätselten Sprache hatte Kokoschka etliche Anspielungen auf biografische Konstellationen verpackt. Die Spuren seiner unglücklichen Liebe gipfeln in einem Ring, der Eurydike entgleitet, bevor sie in die Unterwelt hinabsteigt. Als der Ring später in einem Totenschädel gefunden wird, trägt er eine aus den Buchstaben von Alma und Oskar gebildete Inschrift mit vieldeutigen griechischen Worten. Auch wenn Krenek den Text als "expressionistisches Blabla" abtat, hat er ihn kongenial umgesetzt, Emotion und Pathos in glühende, dann wieder distanzierte Musik gegossen.

Phänomenale Klangfülle

Ein solcher Wechsel zwischen Direktheit und Abstand mag auch Regisseur Karsten Wiegand vorgeschwebt sein, als er eine halbszenische Version für das Konzerthaus Berlin entwarf, wo Krenek in Zusammenarbeit mit dem Ernst-Krenek-Institut Krems derzeit ein vier Wochen dauernder Schwerpunkt gewidmet ist.

Die eingangs geschilderte Geschichte wird während der Aufführung ausführlich bebildert, wenn ein Schauspieler mit Kopfverband eine Puppe mit sich herumschleppt und sich mit ihr in eine Loge setzt. Daneben stehen Filmausschnitte von Hitchcocks Vertigo bis Darwin's Nightmare von Hubert Sauper, die auf jene mehrstöckige Konstruktion projiziert werden, auf der auch das Konzerthausorchester Berlin positioniert ist.

So eindrücklich dieser Rahmen auch sein mag, leistet er vor allem eines: von den konzertant dastehenden Sängern und von der Musik selbst abzulenken. Doch das selten gespielte Werk würde alle Aufmerksamkeit verdienen, zumal Dirigent Lothar Zagrosek mit phänomenaler Präzision und Klangfülle zeigt, dass es voller Energie und leuchtender Expressivität ist. Krenek stand schon vor seinem Welterfolg mit Jonny spielt auf durchaus auf der Höhe der Zeit. Freie Tonalität rückt seine Partitur in die Nähe von Arnold Schönberg und vor allem Alban Berg. Vor diesem Hintergrund werden seine Eigenheiten umso deutlicher.

Neben dem breiten Malerpinsel verfügte er über einen feinen Federstrich, der ihm pointierte Psychologisierungen erlaubte. Nachdem die Veranstalter mitten im Berliner Winter mit fünf Umbesetzungen, darunter alle drei Hauptrollen, zu kämpfen hatten, leisteten sowohl der ausdrucksstarke Daniel Kirch (Orpheus) als auch die voluminöse Brigitte Pinter (Eurydike) Heroisches. Die Lichtgestalt der Aufführung hieß aber Claudia Barainsky als glasklare Psyche. Auch in der Oper steht diese Figur für den am Ende auftauchenden Hoffnungsschimmer. (Daniel Ender aus Berlin, DER STANDARD/Printausgabe, 13./14.02.2010)