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Eine weitere Medaille für Apolo Anton Ohno.

Foto: APA/AP/Phillip

Vancouver - Es ist ein wahrhaft schöner, turbulenter, jeder gravitätischen Betulichkeit abholder Sport: das Rudel-Eisschnelllaufen auf der kurzen Bahn, das sehr ans Speedway auf der Asche erinnert. Da gibt es extremste, kaum glaubliche Kurvenlagen, Drängeleien und Stürze, seit 1992 auch hochoffiziell olympisch, nachdem man vor 22 Jahren im kanadischen Calgary den Reiz der Sache erstmals demonstrieren durfte.

Die führende Nation in diesem rasanten Gewusel ist das südliche Korea, welches am Freitag mit Lee Jung-su auch erwartungsgemäß Gold über die 1500 Meter geholt hat. Vom Publikum frenetisch gefeiert wurde allerdings ein anderer: der US-Amerikaner Apolo Anton Ohno, der 2002 in Salt Lake City auf dieser Strecke triumphiert hatte. Bronze ging an Ohnos Landsmann J. R. Celski.

Profitiert hatten die beiden Amerikaner vom Sinn des Bewerbes: dass es in den Kurven immer wieder Läufer hinaushaut. Diesmal war es in der Schlusskurve, da verabschiedeten sich die auf Rang zwei und drei liegenden Südkoreaner Lee Ho-suk und Sung Si-bak in die Erfolglosigkeit.

So kam der erfahrene Ohno zu einer ausgelassenen Silber-Party. Immer wieder reckte er da sechs seiner zehn Finger in die Höh' - für jede Olympiamedaille einen. Mehr Edelmetall hat kein anderer Läufer gesammelt. "Das" , sagten er und seine sechs Finger, "fühlt sich fantastisch an. Das ist in vielerlei Hinsicht eine historische Nacht für mich."

Ein bisschen kokett war Ohno dabei durchaus. "Ich fühle mich, als ob ich das erste Mal bei Olympia wäre." War er aber natürlich nicht, weshalb er den ganzen Tag mit einer auf Erfahrung fußenden Fröhlichkeit unterwegs war: "Ich bin mit einem Lächeln im Gesicht aufgestanden und werde mit einem ganz breiten Grinsen ins Bett gehen."

Ohno ist nicht erst seit Freitag ein Star. Der Feschling aus Seattle mit den langen Haaren und dem Kinnbärtchen polarisiert. Vor allem mit den Südkoreanern pflegt er eine innige Rivalität, seit er in Salt Lake City nur wegen einer Disqualifikation von Kim Dong-sung, der ihn gerempelt haben soll, erstmals Olympiasieger wurde. Seitdem schlägt ihm von dort aus eher weniger Respekt entgegen, angeblich gab es sogar Morddrohungen gegen den Sohn eines japanischen Friseurs. Den Funktionären freilich taugt's. Rivalität belebt ja das Geschäft.

Ohno und die sechs anderen Finalisten bewiesen in einem atemberaubenden Finale vor 14.000 tobenden Zuschauern eindrucksvoll, wie spektakulär Shorttrack im 111,12 Meter langen Eisoval sein kann. Rasante Läufe, waghalsige Überholmanöver, spektakuläre Stürze. Die Rudelskater zeigten am ersten Wettkampftag der Spiele alle Feinheiten ihrer Sportart.

"Ich liebe einfach diesen Sport" , erläuterte nicht ganz unerwartet Apolo Ohno, "das war ein absolut verrücktes Rennen. Ich bin so froh, dass es mich nicht erwischt hat." Erwischt - also abgeflogen wie eben der Top-Favorit Lee Ho-suk und sein Landsmann Sung Si-bak, für die an der Bande Schluss war. So was gehört halt zum Reiz der Sache, sagen nicht nur die Shorttracker selbst. Nicht immer gewinnt da der Beste, Stürze lassen sich nur mit viel Erfahrung oder Glück vermeiden.

Legendär zum Beispiel ist der Olympiasieg von Steven Bradbury vor acht Jahren in Salt Lake City. Als der abgeschlagene Australier im 1000-Meter-Finale schon auf Rang sechs austrudeln wollte, stürzten in der letzten Kurve alle vor ihm liegenden Läufer. Bradbury spazierte als Sieger ins Ziel, während der Rest kriechend um die weiteren Medaillen kämpfte. Die Bilder dieses spektakulären Rennens gingen damals um die ganze Welt. Und dort dann einem jeden hinunter wie Öl. (sid, wei, DER STANDARD Printausgabe, 15.2.2010)

Ergebnisse der 1.500 m der Herren im Short Track bei den Olympischen Spielen in Vancouver am Samstag (Ortszeit) - keine Österreicher dabei:

A-Finale: 1. Lee Jung-su (KOR) 2:17,611 Minuten - 2. Ohno Apolo Anton (USA) 2:17,976 - 3. J.R. Celski (USA) 2:18,053 - 4. Olivier Jean (CAN) 2:18,806 - 5. Sung Si-bak (KOR) 2:45,010 - 6. Liang Wenhao (CHN) 2:48,192. Disqualifiziert: Lee Ho-suk (KOR)

B-Finale: 1. Charles Hamelin (CAN) 2:18,243 Min - 2. Nicola Rodigari (ITA) 2:18,422 - 3. Pieter Gysel (BEL) 2:18,773 - 4. Haralds Silovs (LAT) 2:19,435 - 5. Sebastian Praus (GER) 2:20,374. Disqualifiziert: Yuri Confortola ( ITA)