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Ein Bild wie aus dem Poesiealbum: ein US-Marine schützt eine afghanische Kleinfamilie.

Foto: Reuters/Tomasevic

Die Großoffensive der internationalen Truppen in Südafghanistan stieß nach ruhigen ersten Stunden am Sonntag auf zunehmende Gegenwehr. Eine fehlgeleitete Rakete tötete zwölf Zivilisten.

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Kabul/Marjah - Am zweiten Tag ihrer Großoffensive im Süden Afghanistans stießen die internationalen und afghanischen Truppen zunehmend auf Widerstand. Kamen die rund 15.000 Soldaten in der Provinz Helmand zunächst noch ohne nennenswerte Gegenwehr voran, gerieten US-Marines am Sonntag in der als Taliban-Hochburg geltenden Stadt Marjah unter schweres Feuer. Taliban beschossen Helikopter über der Stadt und feuerten Mörsergranaten auf US-Einheiten. Captain Ryan Sparks beschrieb die Gefechte als so intensiv wie jene in der irakischen Stadt Fallujah 2004, die von den US-Kräften in Schutt und Asche gelegt wurde: "Dort haben wir uns von Norden nach Süden vorgearbeitet, hier schießen sie von allen Seiten auf uns" , sagte Sparks.

Beim Vormarsch in der Unruheprovinz starben bisher zwei Nato-Soldaten und 27 Aufständische, wie Militärvertreter am Sonntag mitteilten. Aber auch zwölf Zivilisten waren unter den Opfern.

Es handelt sich um die größte Offensive seit dem Sturz des Taliban-Regimes vor neun Jahren. Anders als früher war die am Wochenende begonnene Operation "Mushtarak" ("Gemeinsam" ) tagelang angekündigt worden, um Zivilisten zu warnen - damit konnten aber auch Talibankämpfer in der Region untertauchen. Das Präsidentenamt in Kabul teilte aber mit, dass zwölf Zivilisten in der Taliban-Hochburg Marjah durch eine Rakete getötet wurden. Diese wurde von Natosoldaten abgefeuert und verfehlte ihr Ziel. Der Oberkommandierende der internationalen Truppen in Afghanistan, Stanley McChrystal, entschuldigte sich dafür bei Präsident Hamid Karsai. Man werde alles unternehmen, dass solche Vorfälle nicht mehr vorkämen. Karsai ordnete eine Untersuchung an.

Obama-Plan auf Prüfstand

Um den unruhigen Süden Afghanistans wieder unter die Kontrolle der Regierung in Kabul zu bringen, rückten 15.000 Soldaten in der Region Marjah, eines der größten Opium-Anbaugebiete der Welt, vor. Der Einsatz gilt als große Bewährungsprobe für die neue Afghanistan-Strategie von US-Präsident Barack Obama.

Kampfhubschrauber setzten in der Nacht auf Samstag die ersten Verbände ab. Diese trafen nach US-Angaben zunächst auf "minimale Gegenwehr" . Ein Taliban-Sprecher sagte hingegen, die Aufständischen hätten ihre Stellungen nicht aufgegeben. Die internationalen Truppen seien nicht in die Distrikt-Hauptstadt Marjah eingedrungen.

US-Kommandant Larry Nicholson sagte einem AFP-Fotografen am Ort des Geschehens, die Soldaten würden immer wieder von Heckenschützen ins Visier genommen. Auch dass die Einheiten nur langsam im Gefolge von Minenräumfahrzeugen - sie müssten Dutzende Sprengfallen entschärfen - vorrücken könnten, verzögere den Vormarsch.

In eingenommenen Gebäuden stellten die Soldaten nach Angaben der US-Armee Säcke voller Drogen, hunderttausende Dollar und Chemikalien sicher, die zu Sprengstoff verarbeitet werden können. (Reuters/DER STANDARD, Printausgabe, 15.2.2010)