Gerade Griechenland schaffte es im Teletext des ORF am Donnerstag, die Opernball-Absage von Lindsay Lohan (wer immer das ist) auszustechen. Dass Bayern nun den Hypo-Untersuchungsausschuss beschlossen hat, kam erst danach: typisches Beispiel, wie im ORF die Regeln eines objektiven Journalismus verletzt werden. Diese Nachrichtenauswahl hat unterstes Boulevard-Niveau.

Natürlich ist das nichts Neues - Lugners Umtriebe im Operetten- und Skandalstaat als eine der Top-Meldungen liegen auf gleichem Niveau. Aber seit Dominic Heinzl den Vorabend dominiert, hat der Chef der Lugner City erreicht, was er als Präsidentschaftskandidat nicht vermochte: Tageweise mehr Sendezeit zu haben als der Bundespräsident.

Österreich zu verändern, das ist auch die Absicht der Innenministerin. Maria Fekter erklärt Umfragen in der Asylproblematik zu Volksabstimmungen. Und identifiziert sich indirekt mit jenem "Volk" des Krone-Verlegers Hans Dichand, der uns eine andere Verfassung diktieren will.

Die Tiefen-Reform, die in der schwarz-blauen Regierung begonnen wurde und die jetzt mit Eifer weiterbetrieben wird, ist die Gewöhnung Österreichs an den Rechtspopulismus. Speziell an das Denken Jörg Haiders: 1. die Verfassung missachten, 2. demoskopisch produzierte Minderheiten zur Mehrheit erklären und 3. Missliebige ohne Verfahren zu kriminalisieren.

Zug um Zug entsteht ein "national-konservatives Klima", das am Donnerstagabend im Wien Museum bei einer Diskussion über Engelbert Dollfuß als Unterfutter für Radikalisierung und Umkippen in autoritäre Zustände bezeichnet wurde. Hin zu einer "funktionalen Diktatur" (O-Ton Andreas Khol) oder, wie es die meisten Historiker nennen, zum Austrofaschismus.

Wenn Leitmedien des Landes lange genug Wichtiges zu Nebensächlichem erklären und Trash zu Tagesthemen hochjubeln, dann entsteht im Publikum (vor allem im jungen) jene Gleichgültigkeit, die der Meinungsvielfalt und damit der Demokratie den Boden entzieht. Wenn Minister an Verfassung und Gesetzen vorbei prinzipielle Entscheidungen treffen (siehe Hausarrest für Asylanten), dann entsteht eine "funktionale Herrschaft" der Regierung und des mit ihr verbundenen Boulevards.

Die SPÖ hat jetzt offenbar begriffen, dass die ÖVP nicht mehr im Sinne der christdemokratischen Neugründung nach 1945 handelt, sondern immer stärker zur Nachfolgerin der Christlich-Sozialen der Zwischenkriegszeit mutiert.

Politisch liegt es also an den Sozialdemokraten und an den Grünen, diesen Weg nicht mitzugehen. Es liegt auch an den Kirchen (die im Unterschied zu den Dreißigerjahren gegenüber dem Rechtspopulismus ziemlich immun sind), genügend Warntafeln aufzustellen. Und von der Wirtschaft ist zu erwarten, dass sie eine nationale Isolierung nicht mitträgt.

Die größte Hoffnung, einen Rückfall Österreichs (aber auch Ungarns oder Italiens) in das Dunkel der Geschichte zu verhindern, ist die EU. Immerhin hat die Debatte um die Sanktionen des Jahres 2000 Wichtiges gezeitigt: dass die EU-Mitgliedschaft verbunden ist mit einem politischen Wertekatalog.

Gewissheit gibt es keine. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, Printausgabe, 15.2.2010)