Am "Gate 1"  zwischen Serbien und dem Kosovo: EU-Beamte sollen helfen, die "Grenze"  zu kontrollieren. Doch der Benzinschmuggel blüht. Viele Autos haben zudem keine Nummerntafeln.

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EU-Polizist Christen Hammargard:"Die kontrollieren zu wenig."

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Und die teuerste EU-Mission aller Zeiten erfüllt ihre ureigensten Aufgaben nicht.

"Das ist die Plattform, wo der Hubschrauber landen kann, falls wir evakuiert werden müssen" , sagt Christen Hammargard und weist auf den Hügel oberhalb der weißen Container, in denen die Polizisten und Zollbeamten der EU-Mission Eulex arbeiten. Der Schwede Hammargard ist der Chef der wohl heikelsten Grenzstation Europas. "Gate 1" befindet sich im Norden des Kosovo an der Grenze zu Serbien. Oder besser an der Linie, wie es offiziell heißt. Hier haben die kosovarischen Behörden nichts zu melden, die Gemeinden sind mehrheitlich von Serben bewohnt.

Schicke EU-Landrover parken im Gatsch, Kosovo-Polizisten(KP) in abgewetzten, EU-Polizisten in neuen Uniformen mit blitzblauen Schleifen stehen herum. Viele Serben der KP haben zu Hause noch eine zweite Uniform der serbischen Polizei im Kasten. Die Anweisungen kommen aus Prishtina, ausgeführt wird oft, was Belgrad sagt. Wenn Hammargard und seine Leute etwa ihren Blick abwenden, hören die serbischen Polizisten auf, Ausweise zu prüfen. "Sie tun das viel zu wenig" , sagt Hammargard mit einem Stirnrunzeln, das seine Verzweiflung verrät.

Fette Tanklaster passieren die Linie. Weil der Kosovo für Serbien ein eigener Zollbezirk ist, können die Händler 20 Prozent Mehrwertsteuer für das "Exportbenzin" zurückbekommen, wenn sie Benzin in den Kosovo führen. Für jeden der Tanker sollten jedoch 13.000 Euro Zoll eingehoben werden. Sollten. Bisher ist nicht einmal klar, wem das Geld zusteht. Prishtina besteht darauf, dass das Geld ins kosovarische Budget geht. Für die Serben im Norden kommt das nicht infrage. Also passiert nichts. "Wir haben von oben nicht die Erlaubnis, etwas zu erzwingen oder etwas durchzusetzen" , sagt Hammargard. Und wenn es offensichtlich Benzinschmuggler sind? "Ich kann nichts tun, ich schicke sie weiter." Etwa 325.000 Euro verliert der Staat damit pro Woche.

Mit Helikopter evakuiert

Eulex fürchtet sich durchzugreifen. Die Grenzstationen könnten wieder brennen, wie nach der Unabhängigkeitserklärung vor zwei Jahren. Oder die Straße wird blockiert, wie vorigen Sommer, als die Zöllner nach 72 Stunden mit dem Nato-Helikopter evakuiert werden mussten.

Vor einem Jahr startete die bisher größte und teuerste EU-Mission – das Budget für die ersten 16 Monaten betrug 205 Millionen Euro. Was hat sich seither im Norden geändert? "Wir kopieren jetzt" , sagt ein Eulex-Polizist. Er meint die Frachtbriefe. Und wenn Drogen gefunden werden? "Dafür sind wir nicht ausgerüstet. Das letzte Mal haben wir vor sechs Jahren Marihuana gefunden" , erklärt der serbische Polizist Dragen Petrović lächelnd. Der Tagesumsatz der organisierten Kriminalität im Kosovo wird auf etwa 1,5 Millionen Euro geschätzt. Am Gate 1 werden aus "Sicherheitsgründen" aber nur leere Laster "kontrolliert."

Auf den vielleicht 50 Kilometern von der Grenze nach Mitrovica gibt es allein 13 Tankstellen mit Fantasienamen wie "AMV" . Der Liter kostet hier nur 70 Cent. In Kanister umgefüllt, kann das Benzin in den Süden geschmuggelt werden, ohne dass die Tanklaster auffallen. Die Chefs des Benzinschmuggels kennt hier jedes Kind. Als im Vorjahr ein mutiger Eulex-Staatsanwalt einen Haftbefehl gegen Milan I. ausstellen ließ, brach bei EU-Beamten Panik aus. Der Haftbefehl wurde zurückgezogen.

Der Himmel dröhnt über der EU-Mission in Mitrovica. Ein Helikopter landet. "Das EU-Emblem ist zu klein" , befindet einer. "Malt den Hubschrauber blau an mit ein goldenen Sternen drauf." Mariusz Marchewka sind goldene Sterne egal. Hauptsache er kann im Notfall seine Leute evakuieren. Sollte die Polizei die Fahrzeuge an der Grenze tatsächlich durchsuchen, würde es sofort zu einer Grenzblockade kommen, ist der Pole, der den EU-Zoll aufbauen soll, überzeugt. Ob Marchewka Fortschritte sieht? "Wenn es keine Rückschritte sind" , sagt er humorvoll. "Immerhin: Wir kopieren noch." Die Kopien der Frachten schickt er nach Prishtina und Belgrad. Das sei aber nur sinnvoll, wenn die Polizei die Laster tatsächlich überprüfe. Dann erst sollte man ein Gericht aufbauen und dann die Zölle einheben, findet Marchewka.

Sollte. Zwei Jahre nach der Unabhängigkeit ist der Nordkosovo zu einem rechtlosen Ort geworden, die meisten Autos fahren ohne Nummerntafeln, an den Straßen in Mitrovica stehen illegale Verkaufsbuden. Serbische Beamte und Politiker kooperieren nur mit der UN-Mission Unmik, aber nicht mit Eulex.

Bewachtes Gericht

Das Gericht in Mitrovica hat Monate gebraucht, um die Akten zu ordnen, nachdem das Gebäude 2008 gestürmt worden war. Albanische und serbische Richter gibt es hier seither nicht mehr. Nur Eulex-Richter. Das Gebäude ist von EU-Polizisten umstellt. "Nicht einmal ins Kaffeehaus dürfen wir" , schimpft Hajnalka Karpati. "Ich kann keine Kekse mehr sehen. Weil ich nicht raus darf, ist das mein Mittagessen." Fünf Urteile hat das Gericht bisher gefällt, nur die dringendsten, erzählt die ungarische Richterin. "Aber die Leute glauben nicht, dass es hier einen Rechtsstaat gibt, weil wir keine Eigentumsdelikte oder Verkehrsunfälle behandeln. Aber das ist das, was sie wirklich betrifft."

Welches Recht sie anwendet? Sobald ein Serbe involviert ist, die alte Gesetzgebung der Uno, erklärt Karpati. Mit dem kosovarischen Recht müsse man hier vorsichtig sein. Irgendwann hält sie inne und sagt: "Am Ende muss man sich entscheiden, ob das hier der Kosovo oder Serbien ist." (Adelheid Wölfl/DER STANDARD, Printausgabe, 15.2.2010)