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Foto: Reuters/Homavandi

Mehdi Karrubi (72) ist der sichtbare Beweis dafür, dass es im Iran kein "Mullahregime" auf der einen und keine säkulare Opposition auf der anderen Seite gibt: Karrubi ist Turbanträger - und der lauteste Gegner der Präsidentschaft von Mahmud Ahmadi-Nejad. Dieser ist übrigens der erste Laie auf dem Präsidentensessel der Islamischen Republik.

Stand Karrubi, früherer Parlamentspräsident und Präsidentschaftskandidat, zu Beginn der Proteste nach den Wahlen im Juni noch im Schatten des wahrscheinlichen Wahlgewinners Mir-Hossein Mussavi, so hat er sich heute längst als der Furchtlosere profiliert. Wortgewaltig formuliert er seine Empörung über die "Wilden" , die das Regime auf die Menschen im Iran loslässt. Nicht einmal der Schah hätte es gewagt, das Blut des eigenen Volkes zu Ashura, dem höchsten schiitischen Feiertag, zu vergießen: Das sagt einer, der an der Revolution 1979 teilgenommen hat. Karrubi war es auch, der die Verbrechen des Regimes an den Verhafteten öffentlich machte. Jetzt wurde sein eigener Sohn Ali Opfer von Misshandlungen.

Eine deutliche Warnung: Karrubi ist inzwischen so gut wie vogelfrei. Immer wieder tauchen aus dem Nichts Angreifer auf, wie auch am Donnerstag, am Rande der Revolutionsfeiern. Seine Leibwächter wurden abgezogen, er ist auf den Schutz seiner Familie und Freunde angewiesen. Karrubis Frau Fatemeh steht ihm, wie auch die anderen Söhne, öffentlich zur Seite.

Der im westiranischen Lorestan in eine Klerikerfamilie geborene Karrubi war unter dem Schah neunmal im Gefängnis. Der islamischen Linken angehörend leitete er nach 1979 diverse Vereine und Stiftungen. Der Abgeordnete schaffte es 1990 erstmals an die Parlamentsspitze und focht so manchen Strauß mit Präsident Ali Akbar Hashemi Rafsanjani, der mit der wirtschaftlichen Öffnung des Iran für Karrubis Geschmack zu sehr vom Pfad Khomeinis abwich.

Im Jahr 2000 wurde er wieder Parlamentspräsident - zum Missvergnügen der Reformer, die seit 1997, als Mohammed Khatami Präsident wurde, Morgenluft atmeten. Aber Karrubi entpuppte sich als einer der ihren. 2005 trat er erstmals bei Präsidentschaftswahlen an: Der Sieger hieß Ahmadi-Nejad, und Karrubi beschuldigte ihn schon damals der Trickserei. Aus Protest legte er seinen Sitz im Schlichtungsrat zurück und widmete sich seiner Partei Etemad-e Melli. 2009 trat Karrubi wieder an - und aus der Farce wurde eine Tragödie. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 15.2.2010)