Wien - Ein einsamer Drummer friert vor den Toren zur Halle G. "Ja", erhitzt sich eine Schauspielerin drinnen im Warmen, während sie aus einem Tonbatzen ein spitzes Etwas knetet, "das ist das Archiv von Köln, das beim Bau der U-Bahn eingestürzt ist, nicht der schiefe Turm von Pisa, der nicht eingestürzt ist." Mit aufgerissenem Mund verschlingt eine Tänzerin ein Plastikvöglein, das auf ein Kamerastativ montiert ist:

Das neueste Stück I think we have a good time - Chanson de geste der Choreografin Linda Samaraweerová und des bildenden Künstlers Karl Karner, das nun im Tanzquartier uraufgeführt worden ist, strotzt vor Schlüsselszenen. Es geht schließlich auch um die kulturelle Schlüsselfigur des Helden. Ein Chanson de geste ist die französische Variante des mittelalterlichen Heldenliedes, wobei dem Begriff "geste" hier die Bedeutung von "Tat" zukommt.

Die heute ambivalent gewordene Aura der Heldentat leitete Samaraweerová und Karner zu einem komplexen Vexierspiel aus Tanz-, Theater-, Performance- und Installationselementen an. Aus jedem Moment wird das Modell eines Monuments geknetet, als Pose, als Worthülse, als Andeutung und meist als Umformung von medialem Bilderschrott. Pathos spielt in diesem großartigen Garten der heroischen Lüste eine ebenso große Rolle wie Dilettantismus und Überzeichnung, wobei das Lächerliche am Ende den Sieg davonträgt.

Wie bei der Lektüre eines Bildes von Hieronymus Bosch müssen die Betrachter auch hier mit Haut und Haar eintauchen, um den ganzen (Wahn-)Sinn des Dargestellten so richtig genießen zu können. (Helmut Ploebst, DER STANDARD/Printausgabe, 25.02.2010)