In einer achten Klasse bereiten sich die SchülerInnen des Gymnasiums mit musischem Schwerpunkt auf die Matura - auch in Ethik - vor.

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Neben dem konfessionellen Religionsunterricht gibt es in Österreich seit 1997 die Möglichkeit des Ethikunterrichtes. Ethikunterricht ist „Religionsunterricht ohne Konfessionsbrille", so der Direktor des Oberstufenrealgymnasiums Hegelgasse 12, Michael Jahn, der selbst Ethik unterrichtet und auch EthiklehrerInnen ausbildet.

"Religionsunterricht ohne Konfessionsbrille"

Das Gymnasium im 1. Wiener Gemeindebezirk ist Gründungsschule und somit einer der Pioniere des Ethikunterrichts in Österreich. 1997 starteten acht Schulen in Österreich mit einem konfessionslosen Unterricht über Religion, Ethik und Moral, heute sind es laut Informationen des Bildungsministeriums 194 Schulen österreichweit. Waren es in Wien zunächst nur zwei Schulen, die den Schulversuch anboten, sind es heute mittlerweile 20 Schulen. Rund 15.000 SchülerInnen besuchen im Schuljahr 2009/10 den Ethikunterricht. Das Fach kann ab der 9. Schulstufe Ethikunterricht als ergänzendes Pflichtfach eingeführt werden, für die Unterstufe gibt es diese Möglichkeit nicht.

In der Hegelgasse wurde der Schulversuch "Kulturkunde-Ethik-Religionen" genannt. Vier Themenbereiche werden in acht Semestern der Oberstufe behandelt. Neben dem Menschen als Kulturwesen, stehen Religion, "Individuum und Sozialwesen" und "Gesellschaft und Staat" am Stundenplan. Neben der Kunde über Religionen im historischen Überblick, werden philosophische Grundlagen, ethische Problemstellungen diskutiert und Kommunikationsstrategien vermittelt.

"Erschütterndes Nichtwissen"

Ein "erschütterndes Nichtwissen" der Schüler im Bereich Religion und Ethik - so Jahn - war aber nur ein Beweggrund um 1997 als Gründungsschule aktiv zu werden. Den Lehrkräften beobachteten einen zunehmende Abmeldungswelle, SchülerInnen lockte die Freistunde im Kaffeehaus mehr als der Unterricht über ihre Religion. Durch die Schaffung eines Pflichtfaches müssen die Schüler nun wählen.

Ethikunterricht war am Anfang umstritten, ReligionslehrerInnen befürchteten einen Abgang von SchülerInnen. Diese Befürchtungen sind für Jahn unbegründet, ein guter Ethikunterricht stärke auch den Religionsunterricht, ist er überzeugt. Die Wahl zwischen Ethik und Religion verlaufe in der Hegelgasse in etwa entlang der Konfessionsgrenzen. Religion und Ethik konkurrieren nicht um die Schüler, bei überschneidenden Themen wie beispielsweise Pränataldiagnostik werde die ganze Klasse zusammen unterrichtet. Lediglich in der 9.Schulstufe besuchen mehr SchülerInnen den Ethikunterricht aus Interesse.

Geändert hat sich seit 1997 zumindest die Ausbildung. Am Anfang mussten sich Jahn und seine Kollegen selbst um eine Zusatzqualifikation kümmern. Mittlerweile werden beispielsweise an der Uni Wien und an der Katholischen Pädagogischen Hochschule Wien eine Zusatzausbildung für Ethik angeboten.

Gott als "Motivationsgestalt für die Gesellschaft"

Der Unterricht ist breit gefächert. Mit einer fünften Klasse geht Jahn anhand einer Weltkarte die Entwicklung von Christentum und Islam durch. Nicht religiöses Glauben, sondern das Verständnis über die Religionen steht im Vordergrund. Von Überseekolonien, den Kreuzzügen oder den Reformation wird ein geschichtlicher Blick gezogen.

Jahn stellt doch auch hier die entscheiden Frage: "Wozu braucht man einen Gott?" - "Gott ist eine Motivationsgestalt für die Gesellschaft", so ein Schüler. Ein Schülerin entgegnet: "Die Kirche hat im Mittelalter die Religion dazu genutzt um die Bevölkerung zu kontrollieren." Für einen anderen Schüler ist "Gott für viele der Grund warum wir etwas tun", verweist der Jugendliche auch auf den Terrorismus.

Andere Bereiche wie Doping oder Ethik in der Medizin werden religionsferner behandelt. Ethikunterricht - so Jahn - soll jedoch vor allem eine Diskussion zwischen den SchülerInnen anregen und somit auch zur Diskussionskultur beitragen. Eine Lehrermeinung ist immer auch eine Beeinflussung, so Jahn. Aus diesem Grund wird versucht, die Lehrkräfte abzuwechseln um den SchülerInnen über die Jahre verschiedene Ansichten zu vermitteln. Für Jahn gehört es ebenfalls dazu auch die Grundzüge der Kommunikation zu vermitteln, beispielsweise NLP. Ethische Grundfragen zu behandeln sieht Jahn auch als Ergänzung zu den anderen Fächern wie Philosophie oder Psychologie, die erst in der 11. und 12. Schulstufe unterrichtet werden.

Schulversuch hat finanzielle Konsequenzen

Für die 194 Schulen, die derzeit österreichweit den Schulversuch Ethik anbieten, gibt es einen entscheidenden Nachteil. Als Schulversuch muss der Ethikunterricht aus den schulautonomen Mitteln bezahlt werden, zur Lasten beispielsweise von Freifächern. Ethikunterricht ist somit nach wie vor eine Besonderheit, obwohl in dem Fach auch maturiert werden kann.

Die Politik nimmt nur langsam die Übernahme des Schulversuch in das Regelschulwesen in Angriff: SPÖ und ÖVP haben zwar in ihrem Regierungsprogramm eine Überprüfung des Ethikunterrichts angekündigt, eine parlamentarische Enquete hätte noch 2009 stattfinden sollen, wurde aber verschoben. Eine Verankerung des Ethikunterrichts als Pflichtfach steht somit weiterhin aus.  (seb, derStandard.at, 16.2.2009)