Vancouver - Vor den Bewerben im Eiskunstlauf wird trotz diverser Reformen traditionell über die Preisrichter und deren Wertungen geplaudert. Danach natürlich auch. Viktor Pfeifer, Österreichs einziger Beitrag, fühlt sich zum Beispiel fast ein Leben lang ungerecht behandelt. "Würde ich genauso gut wie Pluschenko laufen, ich bekäme schlechtere Noten, weil Namen zählen. Würden wir mit einer Stoppuhr bewertet, wäre es perfekt. Aber das geht leider nicht." Dieser Sport heißt auch in Vancouver Eisschnelllauf. Abgesehen davon läuft Pfeifer niemals so gut wie Jewgeni Pluschenko, der 22-jährige Vorarlberger hofft, sich für die Kür der besten 24 zu qualifizieren. Der 27-jährige Russe ist Favorit auf Gold, es wäre sein zweites nach Turin 2006.

Ob man einen vierfachen Sprung zeigen muss, um ein wahrer Olympionike zu sein, darüber wird in der Szene heftig gestritten. "Ich erinnere nur an das olympische Motto ‚Schneller, höher, weiter‘. Eiskunstlaufen ohne einen Vierfachsprung ist ein Rückfall in die Steinzeit" , sagt Alexej Mischin, der Entdecker, Schleifer und Trainer von Pluschenko.

Und auch sein Musterschüler, der nach fast vierjähriger Pause im Jänner in Tallinn auf Anhieb wieder Europameister wurde, will ein Zeichen setzen: "Risiko muss belohnt werden. Auch um das den Leuten zu zeigen, bin ich noch einmal zurückgekehrt."

Unterstützung erhält Pluschenko von seinem ärgsten europäischen Rivalen, von Ex-Weltmeister Brian Joubert. Der Franzose erwartet von den Preisrichtern, dass sie sich in erster Linie an den sportlichen Höchstschwierigkeiten der Athleten orientieren: "Der Vierfachsprung ist die Zukunft des Eiskunstlaufens. Und ich denke, er muss auch den Unterschied ausmachen."

Die Nordamerikaner stehen hingegen für ein Gesamtpaket. "Unsere Fans denken später an Programme und nicht an Sprünge zurück, wenn sie sich an große Küren erinnern. Ich bin weiterhin der Meinung, dass eine saubere, künstlerische Ausführung einen Vierfachsprung mehr als ausgleichen sollte" , sagt Weltmeister Evan Lysacek.

Sein US-Landsmann Johnny Weir treibt die Konfrontation mit Pluschenko und Co auf die Spitze. Der 25-Jährige kokettiert auf dem Eis mit seinem Image als männliche Diva und brachte bei den nationalen Meisterschaften Heerscharen von Tierschützern gegen sich auf. Sein Kür-Kostüm war mit einem echten Fuchspelz geschmückt oder verunstaltet, das Tier war aber schon tot. Nur unwillig nahm Weir davon wieder Abstand. Da er immer noch verbal attackiert wird, wohnt er in Vancouver nicht wie geplant im Hotel, sondern im olympischen Dorf. "Ich habe keine Lust, verprügelt zu werden." (red, sid - DER STANDARD PRINTAUSGABE 16.2. 2010)