Ja, es wäre toll, wenn man in Latein die Geschichte Europas lernen würde. Es wäre auch super, wenn man in Physik erfahren würde, wie der Strom in die Steckdose kommt. Doch die Realität im heimischen Schulwesen ist anders: Vokabelstrebern in Latein, "enzyklopädisches Wissen" ("Wer war der Erfinder des Mikroskops?") in den Nebenfächern und abstrakte Stoffvermittlung in Mathematik. Fragt man in einer fünften AHS-Klasse, die gerade Vektorrechnung lernt, wofür das gut sein soll, erntet man flächendeckende Ratlosigkeit. Das alles wird üblicherweise auch noch in guter alter Frontalunterricht-Manier gelehrt.

Einmal abgesehen von der unprofessionell vorbereiteten und hastig eingeführten Reform sowie der Durchsichtigkeit des Unterfangens (Sparen, was sonst!), lässt sich feststellen: Auf einen Teil dessen, was in Schülerhirne hineingestopft und schnell wieder vergessen wird, kann man getrost verzichten. Und, Entschuldigung, Herr Sportstaatssekretär, natürlich können auch Turnstunden gestrichen werden - etwa in ganztägigen Schulen mit Grünflächen und Freizeitsport. Selbst Sprachen wären effizienter zu lernen als in 50-Minuten-Häppchen.

Lehrervertreter sagen, dass ohnehin so viele Stunden ausfallen und dass es mehr Ferien als anderswo gäbe. Daraus lässt sich aber nur der Schluss ziehen, dass mit vorhandener Unterrichtszeit pfleglicher umgegangen werden muss und absurde freie Tage wie Leopoldi verzichtbar sind. Dafür sollte man sich im Unterricht - möglichst fächerübergreifend - aufs Wesentliche konzentrieren. Aber, sehr geehrte Frau Bildungsministerin, es muss natürlich auch mehr ganztägige Schulen mit viel mehr Fördermöglichkeiten für Begabte und auch für Schwache geben. Dann kann man locker auf Unterrichtsstunden verzichten. (DER STANDARD, Printausgabe, 9.4.2003)