Berlin - Eine erste Welle der Ablehnung prallte bei der 60. Berlinale auf den dritten Wettbewerbsbeitrag mit österreichischer Beteiligung. Oskar Roehlers "Jud Süß - Film ohne Gewissen" mit Tobias Moretti, Moritz Bleibtreu und Martina Gedeck, ein Spielfilm über die Entstehung von Veit Harlans NS-Propagandafilm aus dem Jahr 1940, erntete bei der ersten Pressevorführung am Donnerstag (wenige Stunden vor der Premiere) laute Buh-Rufe sowie  Lachen und Unmutsäußerungen bei diversen Szenen.

Für die anschließende Pressekonferenz wurden heftige Reaktionen erwartet, sie lief dann allerdings verhältnismäßig zurückhaltend ab. "Hätte ich einen Dokumentarfilm machen wollen, hätte ich keinen Spielfilm gemacht", wischte Roehler Bedenken hinsichtlich Geschichtsverfälschung vom Tisch.

Moritz Bleibtreu sekundierte, dass man zwar in der "Verantwortung dieser Zeit" stehe: "Aber jede Art von Spielfilm muss sich auch das Recht nehmen, Fiktion sein zu dürfen." Bleibtreu spielte Propagandaminister Joseph Goebbels mit einem starken satirischen Einschlag. "Der Typ ist Satire, der ist aus heutiger Sicht schon irgendwie ein Clown", so Bleibtreu, "und an diesem Clownesken habe ich mich orientiert."

Tobias Moretti, der als verführter Schauspieler Ferdinand Marian die Hauptrolle übernahm, sieht das Grundmotiv als "Thematik Nummer eins bis heute: die Verführbarkeit von einem selber". Der Film sei eine "ständige Reflexion über die Manipulation unseres Mediums".

Sein Film solle  in erster Linie das "Drama eines Menschen" zeigen, sagte Roehler, "und dem Zuschauer auch nahe bringen, was für eine Wirkung, welchen Effekt der Originalfilm hatte und wie der aufgebaut war." Wichtig finde er auch, dass das Dritte Reich einmal von anderer Seite beleuchtet werde. "Der Film spielt in den Salons der Nazis", so Roehler, und man sehe, dass "der Druck auf Personen, die man noch brauchte, dort wesentlich subtiler vonstattenging".

Fakten und Fiktion

Die Produzenten des Films wiesen im Vorfeld die "Legendenbildung"-Vorwürfe  des deutschen Autors und Medienwissenschafters Friedrich Knilli zurück. Es handle sich um einen Spielfilm, nicht um eine Dokumentation. Der Film nehme sich daher "die Freiheit der künstlerischen Bearbeitung, worauf ausdrücklich im Abspann des Filmes hingewiesen wird".

Knilli, 79, Buchautor von "Ich war Jud Süß. Die Geschichte des Filmstars Ferdinand Marian" (2000; demnächst soll eine zweite Auflage erscheinen) argumentiert in einem Interview, Regisseur Roehler würde "ohne Grund zwei wichtige Dinge fälschen": Marian  sei anders als im Film nicht mit einer Jüdin verheiratet gewesen, sondern mit einer Katholikin. Zum anderen stimme es auch nicht, dass Marian einen Juden gerettet hätte. Marian sei laut Knilli "depressiv und relativ unpolitisch" gewesen und werde "in dem Film unnötig heroisiert." Knilli vermutet bei dem durch seine Melodramen bekannt gewordenen Roehler "Betroffenheitsklischees" und Marketing-Kalkül.

Dessen Produzenten Markus Zimmer und Franz Novotny erklärten, Knilli habe "eine sehr eigene Sichtweise auf die Person des Schauspielers Ferdinand Marian und auf die Entstehung des Filmes", die man sich nicht zu eigen gemacht habe. Knilli wolle nicht erkennen, weshalb der Originalfilm in Deutschland weiterhin indiziert sei. (APA/APN/red)