Wien - Ein 79-jähriger krebskranker Mann, der aus medizinischer Sicht bald sterben wird und starke Schmerzen hat, bittet seinen Arzt, ihn mit einer Spritze zu töten - soll der Arzt das tun? Diese Frage stellte ein Umfrageinstitut 1000 Menschen im Auftrag der Uni Graz. 58 Prozent sagten Ja. Der allgemeineren Formulierung - sollen unheilbar Kranke auf Wunsch ein Mittel gegeben werden, das sie tötet - stimmten sogar 62 Prozent zu. 30 Prozent waren dagegen, acht Prozent wollten sich nicht entscheiden. 2000 und 2006 beantworteten nur 49 Prozent die Frage mit Ja, 26 Prozent waren unentschieden.

Würde der Arzt dem Wunsch der Mehrheit folgen, verstieße er gegen das Gesetz. In Österreich ist aktive Sterbehilfe verboten, nur passive ist erlaubt: Wiederbelebung oder das Anhängen an eine Herz-Lungen-Maschine dürfen unterlassen werden, wenn der Patient das vorher bestimmt hat. Mit einer "Patientenverfügung" kann er festlegen, dass lebenserhaltende Maschinen unter bestimmten Bedingungen abgeschaltet werden. Nachhelfen darf der Arzt demSterben aber nicht.

So wird es auch bleiben, wenn es nach dem Studienautor und Sozialmediziner Wolfgang Freidl geht. "Eine g'fährliche G'schicht'" , nennt er aktive Euthanasie. "Es könnte dann normal werden, sich euthanasieren zu lassen" , sagt er. Die Entscheidung würde dann davon abhängen, ob unheilbar Kranke sich eine gute Pflege leisten könnten oder wie sie von ihrer Familie behandelt würden. Außerdem sei unklar, wie mit Wachkomapatienten oder schwer dementen Menschen umgegangen werden würde. In den Niederlanden, wo aktive Sterbehilfe erlaubt ist, gebe es etwa 1000 dokumentierte Fälle von aktiver, nichtfreiwilliger Sterbehilfe pro Jahr - die Dunkelziffer sei wahrscheinlich noch viel höher.

Trend zur Legalisierung

"Auch immer mehr Medizinstudenten befürworten aktive Euthanasie" , sagt Freidl. Er erklärt sich die Zunahme mit der "gesellschaftlichen Liberalisierung und der neoliberalen Vorstellung vom eigenverantwortlichen Subjekt." Außerdem hätten die Medien in den vergangenen Jahren oft über todkranke Menschen berichtet, die sterben wollten, aber nicht dürften.

Von einem "allgemeinen Trend zur Legalisierung" der aktiven Sterbehilfe in Europa spricht Ulrich Körtner, Vorstand des Instituts für Ethik und Medizin der Uni Wien. Als Grund für die hohe Zustimmung sieht er mangelnde Aufklärung: "Gerade jüngere Menschen sind oft dafür, gleichzeitig wissen sie aber nichts über die Möglichkeiten der Palliativmedizin oder über die Patientenverfügung" , sagt er. Palliativmediziner kümmern sich um unheilbar kranke Menschen. Sie versuchen nicht zu heilen, sondern Schmerzen zu lindern und psychologisch zu unterstützen - nicht nur die Patienten, sondern auch die Angehörigen. Hier herrsche ein großer Aufklärungsbedarf, sagt Körtner. Untersuchungen aus den Niederlanden hätten gezeigt, dass der Wunsch nach Euthanasie seltener werde, je dichter die Betreuung Todkranker sei, das bestehende Palliativangebot müsse daher unbedingt ausgebaut werden - vor allem die Hausbetreuung. Derzeit sterben etwa 27 Prozent aller Menschen in Österreich zu Hause.

An einem solchenAusbau wird in Österreich gerade gearbeitet: Bis 2012 soll es 59 mobile Palliativteams geben (2008: 35), die etwa krebskranke Menschen zu Hause oder im Altersheim betreuen. Für sehr pflegeintensive Patienten soll es 336 Betten auf Palliativstationen geben (2008: 225) und 167 in Hospizen (2008: 46).

Wer mit seinem eigenen Ende konfrontiert sei, entwickle ein anderes Verhältnis dazu als Menschen, die die Erfahrung nicht haben, sagt Johann Baumgartner, Vizepräsident des Verbandes der Palliativ- und Hospizeinrichtungen. Auch er will nicht, dass aktive Sterbehilfe legal wird: "Die Ungerechtigkeit des Verbots ist kleiner als die der Erlaubnis." (Tobias Müller, DER STANDARD - Printausgabe, 19. Februar 2010)