Das Magazin "News" betreibt eine Kolumne mit dem Titel In bester Gesellschaft. Um welche Gesellschaft es sich dabei genau handelt, geht aus dem Inhalt nicht eindeutig hervor, aber offensichtlich ist es die Gesellschaft, in der sich die Kolumnistin bewegt, um zu berichten, was diese Gesellschaft bewegt. Vorige Woche war das der Operndirektor und sein ewiges Gezeter. Herr Holender, der Noch-Direktor der Wiener Staatsoper, nervt. Mit seiner ewigen Grantelei und Kritik, mit seiner oft peinlichen Selbstinszenierung. Jetzt forderte er in einem Ö3-Interview das Ende des Opernballs. Dazu wurde in bester Gesellschaft mit Nachdruck klargestellt: Den Ball zu kritisieren ist einfacher, als ihn neu zu gestalten.

Diese Woche machte es sich die Kolumnistin einfach. Diesmal war ihre Gesellschaft plötzlich mitten in einem recht emotionalen Gespräch. Tenor, vor allem jener, die live dabei waren: "Das war der schlechteste Opernball aller Zeiten." Und was dann noch kam, erwies der ewigen Grantelei und Kritik des Direktors alle Ehre der Bestätigung. Worte wie "lieblos" und Sätze wie "ein Potpourri aus Skurrilitäten, Nachlässigkeiten und Geschmacksverfehlungen" fielen. Kritisiert wurden neben dem Blumenschmuck die Eröffnung durch die Debütanten ("Ein Chaos"), das Ballett, die Busen- und Rotlicht-Prominenz - und das Übermaß an geschmacksfreien "Roben", die an Faschingskostüme erinnerten. Also so gut wie alles. Hätte man doch nur auf Holender gehört!

Wenn in Wien die Gesellschaft über die Gesellschaft herzieht und die selbsternannte Prominenz über die sogenannte Rotlicht-Prominenz, dann füllt das die Tratschspalten und erfüllt den Tatbestand der geschmacksfreien Heuchelei nicht zuletzt derer, die live dabei waren. Denn seit Jahren gibt es den Opernball, und niemand ist gezwungen, live dabei zu sein, nur um sich nachher darüber zu entrüsten, dass der Anspruch nicht erfüllt wurde, wer viel Geld für den Opernball ausgibt, hat ein Recht darauf, das Beste zu bekommen.

Heuer sah das Beste so aus: Das Elite-Fest (welche Elite?) verkam zum Fast-Nackt-Gschnas. Das Fernsehpublikum war gelangweilt (wo steht, dass der Ball auch jene unterhalten muss, die live daheim geblieben sind?), Logenbesitzer überlegen, nächstes Jahr nicht mehr zu kommen, was bei den hohen Ansprüchen der Rotlicht-Prominenz an einen zeitgemäßen Unterhaltungsbegriff verständlich wäre und die Elite auch künftig nicht abhalten wird. Fast konnte man den Eindruck gewinnen, bei alldem handle es sich um eine Intrige gegen die Verantwortliche, wurde die Matschkerei doch von "News" neben einem Foto der zähnefletschenden Ballmutter unter dem Titel zusammengefasst: Miss Desi und ihr Malheur. Wo dem Magazin doch sicher bekannt ist, dass es sich bei besagter Desi um keine Miss, sondern um eine verheiratete Frau und Mutter nicht nur eines Balls, sondern auch diverser Kinder handelt.

Als Rächerin der Enterbten rief "News" Dagmar Koller auf, die dem Ball bewusst fernblieb. "Solange wir immer Leute zu sehen bekommen wie diese Bambi mit ihrer Busenpräsentation und diesen Prinz von Flaschenkopf, dürfen wir uns über das Niveau des Balls nicht wundern", bringt Dagmar Koller den Unmut der TV- Zuseher auf den Punkt. So spricht eine Publikumsrätin. Aber schon interessant, aus welchen Tiefen des Unterbewusstseins da der Prinz von Flaschenkopf emporgestiegen sein könnte.

Um das Abgleiten der Gesellschaft in die Society angemessen darzustellen, hat der Society-Egomane Dominic Heinzl eine Kolumne in "News". Dort berichtet er vor allem über sich, und wie ich, wohin immer er bei meinen Ausflügen kommt - Graz, Villach, Kitzbühel, wurscht wo - zahllose Sympathiebekundungen für meine Person und meine Sendung "Chili" erlebe. Diesmal genehmigte er sich einen totalen Triumph, gewissermaßen sein Córdoba: Heinzl gegen Gottschalk hieß das TV-Duell am Opernball. Ergebnis: eine klare Niederlage für den deutschen TV-Superstar.

Um bescheiden einzuräumen: Zum Zuseherrekord verhalf mir Langzeitbekannter Dieter Bohlen. Und zwar deshalb, weil der ihn im Getümmel des Opernballs mit Alfons Haider verwechselte und mit der sensationellen Erkenntnis an ihn herantrat: "Mit Frauen kennst du dich ja nix aus. Du bist ja schwul." Und schon war - wen wundert's in Österreich - der Zuseherrekord gesichert.

Dass angesichts solcher Siege über einen deutschen TV-Superstar Desirée Treichl-Stürgkh unter Beschuss gerät, ist ungerecht. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 20./21.2.2010)