Schlecht schaut es aus am Schalter A 11 des Berliner Flughafens Tegel, ganz schlecht. Lufthansa-Flug nach München, 11.10 Uhr: gestrichen. Lufthansa-Flug 12.05 Uhr nach Frankfurt: gestrichen. Lufthansa-Flug 13.05 Uhr nach München: ebenfalls gestrichen. Die Damen am Check-in sitzen gelangweilt auf ihren Plätzen, ein bisschen wie Schaufensterpuppen in einer großen Auslage. Von 70 Flügen finden nur 26 statt.

Viel eiliger hat es Julia Lacina. Sie muss unbedingt nach Graz und strebt zum gegenüberliegenden Lufthansa-Counter. Nach quälend langen zwanzig Minuten hört sie von Lufthansa ein entschiedenes "vielleicht" . Statt über München geht es nun mit der AUA nach Wien, dann weiter nach Graz, aber nur, wenn ab Wien in der Businessclass noch Platz für sie ist. Dennoch hält sich ihr Frust in Grenzen: "Ich bin froh, dass ich hier überhaupt mit einem Flugzeug wegkomme." Da nimmt die Berlinerin auch die stundenlange Verspätung in Kauf.

Weniger Glück hat Martina Weber. Die Industriekauffrau geht am Streiktag höchstens vor Ärger in die Luft, nicht aber mit einem Flugzeug. "Ich will nach München, aber da geht gar nichts mehr. Jetzt muss ich mit der Bahn fahren" , klagt sie. Das bedeutet: Ankunft in München um 21 Uhr statt um 15 Uhr. "Was soll's," , meint Weber und versucht, sich nicht zu ärgern, "man muss es hinnehmen wie eine Naturkatastrophe. Wenn ein Orkan wäre, könnte ich ja auch nicht fliegen." Andererseits: Wenn die Münchnerin an die Gehälter der Lufthansa-Piloten denkt, gerät sie gleich selbst ein wenig in Wallung: "Das ist ja irre, was die verdienen."

"Streik ist ein Wahnsinn"

62.000 Euro Einstiegsgehalt pro Jahr, 110.000 Euro jährlich nach zwölf Jahren in der Luft - so schaut es auf den Gehaltszetteln der Lufthansa-Piloten aus. Die Flugzeugführer beim Konkurrenten Air Berlin bekommen rund ein Drittel weniger. "Insofern ist der Streik natürlich ein Wahnsinn" , sagt auch Thomas Evers, der jetzt ebenfalls mit der Bahn nach München fahren muss. Aber irgendwie hat er auch Verständnis für den Arbeitskampf an sich: "Ich arbeite im öffentlichen Dienst, wir haben vor kurzem auch gestreikt. Dieses Recht steht jedem zu." Dann dreht er sich noch einmal um und grinst: "Bei uns ging es allerdings um viel weniger Geld."

Warum ist er überhaupt nach Tegel gekommen, wo doch die Medien seit Tagen über den Streik berichten? "Ich hatte noch eine kleine Hoffnung" , sagt er. Vergeblich. "Im Großen und Ganzen aber sind unsere Kunden gut informiert und haben schon am Wochenende neu geplant" , sagt Lufthansa-Sprecher Wolfgang Weber zum Standard, während er wohlwollend auf die überschaubare Schlange vor dem Counter blickt. Kritisch sei nur eine Situation gewesen: Die Passagiere, die schon erleichtert in der Maschine nach München saßen, mussten alle wieder aussteigen, weil doch kein Pilot kam. "Nun ja" , räumt Weber ein, "da waren einige schon recht sauer." (Birgit Baumann aus Berlin/ DER STANDARD-Printausgabe, 23.2.2010)