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Johanna Dohnal, ungeliebt, aber erfolgreich. In der heutigen Politiklandschaft wäre eine Karriere wie die ihre undenkbar.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Wenn Menschen zu Lebzeiten bereits etwas Legendäres anhaftet, ist es schwer, sich vorzustellen, dass sie tatsächlich tot sind. So fühlt sich das auch bei Johanna Dohnal an, die am 20. Februar nach längerer Krankheit aber letztendlich überraschend verstorben ist. Seither konnte einiges Löbliches über die erste Frauenministerin Österreichs gelesen werden: Sicherlich war sie eine "Ikone", eine "große Tochter", eine "Leitfigur" und die "wichtigste Frauenpolitikerin des 20. Jahrhunderts", wie selbst eine nicht SPÖ-nahe Frauenorganisation betonte.

Tiefe Wertschätzung

An Lobeshymnen und tiefe Wertschätzung war Dohnal glücklicherweise schon vor ihrem Ableben gewohnt. Sie durfte es miterleben, dass ihr ihre ParteikollegInnen beim Parteitag frenetisch zujubelten, sie durfte noch erfahren, wie Feministinnen jüngerer Generationen gerne mit ihr diskutierten und ihre Meinung respektierten und sie nahm zur Kenntnis, dass sich JournalistInnen selbst noch Jahre nach ihrer aktiven Politikerinnen-Zeit über ihre griffigen, furchtlosen Sager freuten.

Manche gingen in ihrer Verehrung gar soweit, das Stagnieren der österreichischen Frauenpolitik mit dem Fehlen Dohnals in Verbindung zu bringen. "Wenn wir doch noch die Dohnal hätten", raunte es dann frustriert in den hinteren Reihen von Politikveranstaltungen, meist wohl wissend, dass diese Analyse eine sträfliche Verkürzung beinhaltete. Schließlich kann nie eine Person das wettmachen, was auf polit-ökonomischer und also auf gesamtgesellschaftlicher Ebene in den letzten 15 Jahren passiert ist. 

Gehasst wie keine andere

Fast konnte man in den vergangenen Jahren vergessen, dass diesselbe Politikerin zu ihren amtierenden Zeiten eine der gehasstesten Personen im öffentlichen Leben war. Der Zorn auf Dohnal wurde dann später wie eine Sage aus längst vergangenen Zeiten reflektiert: In den 70er und 80er-Jahren sei es eben ein Tabu gewesen, kompromisslos für wahre Unabhängigkeit von Frauen einzutreten - mit dem Zusatz, dass zwischen den Geschlechtern damals ja wirklich noch einiges im Argen lag.

Ganz im Gegensatz zu heute. Da schillert der Einsatz für Frauenrechte schon eher wie ein Spaziergang im Frühling: Außer Bundeshymnen, Frauenquoten und Binnen-I haben die aktuellen Frauenpolitikerinnen nichts im Sinn, weiß man(n) in diversen Redaktionen und Stammtisch-Foren und versichert sich gegenseitig über die "Lächerlichkeit"  aktueller frauenpolitischer Forderungen.

Die These liegt nah: "Mögen" durfte man die "streitbare Dohnal" vor allem ab dem Zeitpunkt, als sie keine aktive Politikerin mehr war und damit an Bedrohungspotential eingebußt hatte. "Respektiert" wurde sie auch von ihren politischen Gegnern umso mehr, je länger ihre Amtszeit als Frauenministerin zurücklag. 

Visionen gegen Widerstand

Johanna Dohnal war eine einzigartige, überaus charismatische Politikerin, deren persönlicher Mut und emotionale Nähe zur "Frauenfrage" sie während ihrer ganzen Amtszeit gegen den "unendlichen Widerstand" aus Partei, Politik und Gesellschaft stählte. Die Missachtung und den Hass auf ihre Person ließ sie dafür ganze 16 Jahre in Regierungsverantwortung über sich ergehen.

Heute würde eine Politikerin mit solchen Beliebtheitswerten wohl keine einzige Regierungsumbildung überleben. Dohnal war jedoch Teil einer politischen Kultur, in der PolitikerInnen noch über mehrere Jahre in verantwortlicher Spitzenposition bleiben durften. Das Ableben von Johanna Dohnal steht so gesehen auch für das Ende eines politischen Systems, in dem der Öffentlichkeit noch politische Charaktere zugemutet wurden, von denen sie vielleicht überfordert war. Ihr Lebenswerk zeigt auf packende Weise, dass sich gute Politik nicht von guten Umfragewerten ableiten lassen muss, vor allem nicht, wenn sie Emanzipatorisches im Sinn hat. (Ina Freudenschuß, dieStandard.at, 23.2.2010)