Belgrad - Der Kreis wird enger: Gestern, am Dienstag, um sechs drangen etwa ein Dutzend maskierte Spezialpolizisten in das Belgrader Haus des gesuchten Ex-Generals Ratko Mladić ein und durchsuchten das Gebäude bis zum frühen Nachmittag. Die Anklagebehörde des Haager Kriegsverbrechertribunals wirft dem 67-Jährigen unter anderem Völkermord an bosnischen Muslimen in Srebrenica vor. Auf Hinweise zu seiner Ergreifung haben die serbische Regierung eine Million Euro und die USA fünf Millionen Dollar ausgesetzt. Erst wenn Mladić gefangen und ausgeliefert ist, ist Serbiens Weg in die EU frei.

Finanzströme abschneiden

Ziel der Aktion sei gewesen, die "Finanz und Unterstützungsströme" für Mladić abzuschneiden und Beweismittel sicherzustellen, sagte Sonderstaatsanwalt Vladimir Vukèević. Mladićs Familie hat schon acht solche Durchsuchungen erlebt. Vergangenes Jahr hat die Polizei mutmaßliche Fluchthelfer festgenommen. Erst Ende Jänner hat der Haager Chefankläger Serge Brammertz erklärt, es gebe keinen Grund anzunehmen, dass Mladić nicht in Serbien sei.

In dem Haus in der Blagoje-Perović-Straße lebt Mladićs Ehefrau Bosa (62); sein 40-jähriger Sohn Darko, der im Grundbuch steht, unterhält dort Geschäftsräume. Die Polizei fand in dem Haus bei einem Arzt nach unbestätigten Angaben 70.000 Euro Bargeld. Der Urologe, Mitglied der Akademie der Wissenschaften, gehört der Mladić nahestehenden "Jugoslawischen Linken" an. In der Wohnung von Bosa Mladić und im Büro von Sohn Darko beschlagnahmte die Polizei laut dem Anwalt der Familie CDs, Disketten, alte Kassetten und Tagebücher.

Der Zeitpunkt der Polizeiaktion fällt zusammen mit dem Beginn einer Konferenz in Den Haag, die sich mit dem Vermächtnis des Tribunals und den Lehren für die Rechtsprechung der jugoslawischen Nachfolgestaaten befasst. Mladić könnte der letzte sein, der in die U-Haft nach Scheveningen muss. Nach dem Ende der Prozesse, spätestens 2014, soll das Tribunal geschlossen werden.

Anders als Radovan Karadžić hat Mladić während der letzten Jahre nie öffentliche Lebenszeichen von sich gegeben. Brammertz sagt, es gebe zurzeit weniger Hinweise auf Mladićs Aufenthaltsort als früher, dafür aber mehr politischen Willen, ihn zu fangen. In Belgrad wird für wahrscheinlich gehalten, dass Mladić von Teilen des Sicherheitsapparats gestützt wird.

Nach einer Meinungsumfrage vom letzten Dezember sind 60 Prozent der Serben gegen die Gefangennahme und Auslieferung von Mladić. 56 Prozent halten ihn für unschuldig. (Norbert Mappes-Niedieck, DER STANDARD, Printausgabe, 24.2.2010)