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Einst waren Streiks die Waffe der machtlosen Arbeiter gegen die übermächtigen Unternehmen. Heute aber sind die meisten Streiks ein Instrument privilegierter Arbeitnehmergruppen, um ihre Interessen gegen weniger starke Bevölkerungsgruppen durchzusetzen. Sie mögen dank des Streikrechts rechtens sein, aber in den meisten Fällen sind sie ungerecht.

Die meisten Streiks finden im öffentlichen Sektor statt, wo Arbeitnehmer vor Kündigungen weitgehend geschützt sind, Arbeitsniederlegungen dramatische Folgen haben und die Zielgruppe Politiker sind, die zu lasten des Geldes der Steuerzahler dem Druck leicht nachgeben.

Wenn im Privatsektor gestreikt wird, dann sind es stets die Halter von Schlüsselfunktionen in Quasi-Monopolbetrieben, die ganze Bereiche lahmlegen können – etwa Raffineriearbeiter oder Piloten wie zuletzt bei der Lufthansa. Ihre Forderungen mögen zwar gerechtfertigt sein, aber das sind die von anderen Gruppen auch, die sich niemals trauen würden zu streiken. Oder hat irgendwer in den letzten Jahren von Streiks der Textil- oder Automobilarbeiter gehört?

Wer streiken kann, wird auch besser entlohnt, und hat dann die Möglichkeit, durch Streiks oder Streikdrohungen diese privilegierte Stellung zu verteidigen – selbst wenn dies das eigene Unternehmen gefährdet. Deshalb sind heutzutage fast alle Streiks sozial gesehen ungerecht und oft von weitaus überzogenen Forderungen geprägt.

Auch bei den aktuellen Streiks in Griechenland und Spanien sind es vor allem die Beamten, die die Arbeit niederlegen. Es ist der aufgeblähte öffentliche Sektor, der Griechenland an den Rand des finanziellen Ruins getrieben hat. Da nun massive Einschnitte bei den Staatsausgaben notwendig sind, haben öffentliche Bedienstete auch am meisten zu verlieren.

Wenn es ihnen durch einen Generalstreik gelingt, den allgemeinen Zorn der Bevölkerung für ihre spezifischen Zwecke zu instrumentalisieren, dann verteidigen sie zwar erfolgreich ihre persönliche Pfründe, zerstören aber die Chancen auf eine Erholung der gesamten Wirtschaft. Ihr Erfolg geht auf Kosten der Mitbürger.

     Aber auch wenn private Gewerkschaften gegen Sanierungsschritte von Regierungen in Krisenstaaten, etwa die Anhebung des Pensionsantrittsalters, protestieren, schadet es dem Gemeinwohl.  Was die Regierungen in Griechenland und Spanien versuchen müssen, ist, die Schmerzen der Sanierung möglicht gleichmäßig zu verteilen. Nur so kann ein gesellschaftlicher Konsens geschaffen werden.

Je mehr sie Proteste auf der Straße fürchten müssen, desto eher werden sie den Weg des geringsten Widerstandes gehen und dort die Einschnitte vornehmen, wo es politisch am ehesten geht. Das heißt, dass arme Sozialhilfeempfänger eher draufzahlen als gut gestellte Angestellte kurz vor der Pensionierung.

Das Streikrecht ist eine Grundsäule der demokratischen Rechtsordnung, aber zumindest müsste im öffentlichen Bewusstsein die Verklärung des Streiksrechts aufhören. Richtig wäre auch ein absolutes Streikverbot für öffentliche Bedienstete – als angemessener Preis für den ausgeprägten Schutz, den sie sonst genießen. Die Frage ihrer Entlohnung gehört politisch entschieden, nicht durch den Druck der Straße. Es gibt in Demokratien keine Rechtfertigung, gegen den Staat und damit das Staatsvolk zu streiken.