Wien - "Viel Kontinuität", aber auch Erweiterungen des Programms verspricht die neue Präsidentin des European Research Council (Europäischer Forschungsrat, ERC), Helga Nowotny, die ihr Amt am 1. März antritt. 2011 sollen etwa erstmals "Twinning Grants" ausgeschrieben werden, mit der die EU-Forschungsförderung für Wissenschafter aus Ländern wie China, Indien oder Brasilien geöffnet werden soll, wie Nowotny im Gespräch erklärte.

Derzeitige Förderlinien

Über den ERC fördert die EU im 7. Forschungsrahmenprogramm erstmals Grundlagenforschung (7,5 Mrd. Euro von 2007 bis 2013). Derzeit gibt es zwei Förderlinien: die "Starting Grants" für Nachwuchswissenschafter und die "Advanced Grants" für etablierte Forscher.

Mit dem ERC habe man Europa zu einem attraktiven Forschungsstandort machen und auch außereuropäische Wissenschafter anziehen wollen, sagte Nowotny. Dies sei bis zu einem gewissen Grad mit den USA geglückt, allerdings vorwiegend bei in den USA tätigen europäischen Forschern. In anderen Ländern sei dagegen die Bereitschaft gering, nach Europa zu kommen - auch weil es gute Kenntnisse europäischer Institutionen erfordere. So wird für eine ERC-Förderung eine aufnehmende Gast-Institution benötigt.

Die neue Förderschiene

"Europa kann nicht erwarten, dass es die Jahrzehnte, die uns die USA mit ihrem international sehr offenen Hochschulwesen voraushaben, so schnell aufholt", sagte Nowotny. Aus diesem Grund will der ERC mit einer neuen Förderschiene nachhelfen: Bei den "Twinning Grants" sollen ein europäischer und ein außereuropäischer Leiter eines Forschungsprojekts ("Principal Investigator") als "Zwillinge" ERC-Förderungen beantragen. Bei solchen Projekten soll es zu einem regen Austausch von PhD-Studenten und Post-Docs kommen, mit dem längerfristigen Ziel, dass die nächste Forscher-Generation aus den außereuropäischen Ländern schon europäische Einrichtungen kennt.

Weiters geplant ist laut Nowotny, die Altersgrenze für "Starting Grants" auszuweiten. Derzeit können Wissenschafter nur zwei bis zehn Jahre nach dem Doktorat diese Förderung beantragen, künftig sollen es zwei bis zwölf Jahre sein.

Neue Herausforderungen

Neben dieser internen Weiterentwicklung würden auf den ERC neue Herausforderungen durch stark veränderte Rahmenbedingungen zukommen. Nowotny nennt einerseits die ökonomische Krise, andererseits die Frage, "wie wir die Grundlagenforschung stärker positionieren können in einem politischen Umfeld, das sich sehr stark in Richtung Innovation orientiert". Denn nicht nur in Österreich, auch in Europa gibt es eine starke Tendenz in Richtung angewandter Forschung und Innovation. Für Nowotny ist hier Überzeugungsarbeit notwendig, und "der Nachweis, wie unentbehrlich die Grundlagenforschung gerade für die Innovation auch ist".

Zudem versucht sie die Proportionen zurechtzurücken: "Der ERC bekommt 0,5 Prozent der Ausgaben, die in Europa, also Mitgliedsstaaten und Kommission zusammen, für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden." Wenn dann Politiker sagen, die Grundlagenforschung werde ja nun ohnedies auf EU-Ebene gefördert, sei das "ein Verkennen der grundlegendsten Tatsachen", so Nowotny, wohl auch in Richtung von Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, der kürzlich für Österreich eine Schwerpunktverlagerung zur angewandten Forschung und die Abwicklung der Grundlagenforschung über Brüssel gefordert hatte.

Österreichs Position

Österreich hat sich bisher im internationalen Wettbewerb um die Fördermittel nach Ansicht Nowotnys ordentlich geschlagen und liege "im guten Mittelfeld". Besonders freut die ERC-Chefin, dass die Unis von sich aus in der Nachwuchsförderung aktiv würden. Getrübt wird die positive Bilanz allerdings im Vergleich mit der Schweiz, die neben Großbritannien bisher die meisten ERC-Förderungen abgeräumt hat. "Der Unterschied (zu Österreich, Anm.) ist die sehr, sehr gute finanzielle Ausstattung der beiden Eidgenössisch Technischen Hochschulen (ETH), aber vor allem die internationale Offenheit", so Nowotny. Viele der ERC-Fördernehmer in der Schweiz und in Großbritannien seien nicht Schweizer oder Briten, sondern kämen aus der ganzen Welt.

"Insofern würde ich mir eine internationale Öffnung an den Unis in Österreich wünschen", so Nowotny. Dazu müsse man aber international wettbewerbsfähig sein, "das heißt man braucht mehr Geld für die Universitäten". Die Schweiz und Großbritannien hätten das früh verstanden und könnten dadurch einige der besten Leute von überallher anziehen. (APA)